Die NSU Prozesstage 212 & 213 im Schnelldurchlauf

gemeinhin veröffentlichen wir unsere Zusammenfassungen von NSU-Prozesswochen exklusiv nur in unserer facebook-Gruppe gegen Rassismus und gegen Vertuschung - um diese noch bekannter zu machen (join it!), heute aber auch mal wieder hier: Die Prozesstage 23./24.06. (212 u 213) im Schnelldurchlauf

23.06.

Dafür, dass am Vortag quer durch die deutsche Medienlandschaft bis hin zum ZDF “heute journal” aufgrund von Zschäpes erweitereter Erklärung in Sachen Ablehnungsantrag gegen RAin Sturm geunkt wurde, dass die Hauptangeklagte nunmehr (bald) “reden” könnte, waren die Zuschauerreihen am Dienstag zwar bereits eine knappe Stunde vor Verhandlungsbeginn gut gefüllt, aber letztlich doch nicht ansatzweise “ausverkauft”. Da Zschäpe aber wohl hinter den Kulissen über Zahnschmerzen berichtet hatte, brach Götzl kurz nach der Einvernahme von nur einem Zeugen erneut einen Prozesstag früh ab, lud gleich zwei geplante Zeugen ab, so dass wir nur von der Einvernahme des heute 32-jährigen Falco Kraus aus Chemnitz berichten können.

Götzl sprach von einem Vorfall vor einem Edeka-Markt im Dezember 1998, der Zeuge berichtete dass er sich dereinst mit anderen vor dem Konsum-Markt getroffen hätte um ins Kino zu gehen, als ihm auf beiden Seiten der Ausgangstür je eine Person aufgefallen war, einige Minuten später sei eine dritte herausgerannt, die irgendetwas unterm Arm hatte, er sei (instinktiv) hinterhergerannt, die letztgenannte Person habe sich dann zu ihm umgedreht, ihn aufgefordert stehen zu bleiben und (als er dem wohl nicht nachkam) direkt 3x geschossen, sinnigerweise die erste Kugel (“das hört man”) sei unmittelbar an seinem Kopf vorbeigerauscht, der zweite sei in seiner Brusthöhe gewesen und einer in der Wand gelandet – bis vor ein paar Jahren war dort noch das Einschussloch zu sehen, inzwischen ist der Supermarkt abgerissen. Er habe dann hinter einem parkenden Auto Schutz gesucht – die Täter seien weitergerannt/geflüchtet.

Im Weiteren vermischte Kraus augenscheinlich zugetragen bekommenes und oder angelesenes Wissen (von gefundenen Hülsen, gar von tschechischen Fabrikaten) mit eigenen Beobachtungen – einmal mehr stört sich der Richter auch bei diesem Zeugen nicht daran. (Es wird im weiteren Wohlleben-Verteidiger Klemke obliegen, das klar zu stellen, dass der Zeuge Hülsen nicht selber gesehen hat.) Und der Zeuge, der in persona klar eine “normale Handfeuerwaffe…von normaler Größe…Lauf leicht angeschrägt ” erblickt habe, bekundete mehrfach – dem Vernehmen nach anders als er es *angeblich* vor wenigen Monaten noch der Polizei gesagt habe – dass er bestenfalls bei einem der an-der-Türsteher sicher sagen kann, dass es sich um einen Mann gehandelt habe (linkere hatte demnach eine größere statur – kräftig, “nicht im Sinne dick sonden muskulös” – rechtere kleiner, schmächtiger, rausrennnende auch relativ schmächtig) und die Person die ihn aufforderte ihnen nicht zu folgen eine eher höhere/hellere Stimme gehabt habe – aber ob das alles Männlein und oder Weiblein waren könne er nicht sagen – weil: einmal meinte er die Täter waren allesamt vermummt, dann hätten sie immerhin Seemannsmützen aufgehabt, was das Gesichtererkennen naturgemäß schwierig mache, gleichwohl hat er ein recht detailreiches Phantombild gezeichnet. Im übrigen war er zunächst vom Diebstahl von Zigarettenschachtelstangen ausgegangen, “erkannte” dann aber angeblich selbst in der Flucht-/Schussituation dass es sich um den Registrierausschub der Supermarktkasse gehandelt habe.

(Noch)-Zschäpe-Verteidigerin Sturm hielt ihm in der Fragerunde dann vor, dass er bei der Polizei gesagt habe, dass er “auf alle Fälle eine Männerstimme” ausgemacht habe beim Schützen war dann von Kraus ein lapidares “wenn ich das damals so gesagt habe wird es so gewesen sein” zu hören -

Obwohl dieser Zeuge so auftrat wie er auftrat fühlte sich NK-Anwalt Alexander Hoffmann berufen bereits wenige Minuten nach dessen Einvernahme eine 257er-Erklärung abzugeben, im Sinne nun stehe entweder im Raum Zschäpe war mit am Set, oder wenn nicht sie, dann sicher einer der Chemnitzer “88er”… und es sei nunmehr belegt, „dass das Trio (bereits kurz nach der “Flucht”, Anm. das ZOB) zum Töten von Menschen bereit war“.

Und zahlreiche Medien (etwa Tagesspiegel: “Der NSU-Prozess wartete am Dienstag mit einer möglichen Sensation auf: Es könnte einen weiteren Mittäter der Terrorzelle geben.” oder Spiegel: “Eine Zeugenaussage legt nahe, dass das mutmaßliche Terror-Trio zumindest bei einem Überfall einen Mittäter hatte.”) schossen sich die folgenden Stunden darauf ein, dass *jetzt* wohl bewiesen wäre, dass der NSU aus mindestens vier Personen bestand – als ob es a) für mehr als drei bis dato nicht zahlloseste Indizien gab und b) bei vom Zeugen beschriebenen drei Tätern in Chemnitzz 1998 nominell nicht Böhnhardt, Zschäpe und Mundlos ausreichend wären -

Randnotiz: Obwohl der Zeuge nach eigener Aussage niemals von einem Tattoo eines der Täter sprach waren ihm in einer von zwei in sich geschlossenen Bildermappen zur möglichen Täteridentifikation ausschließlich Männer mit einem tätowierten Schriftzug im rechten Halsbereich gezeigt worden.

24.06.2015, 213. Tag

Der Vormittag war nochmals für im Januar/Februar verhinderte Zeugen zur Keupstrasse geplant – es sollte aber an diesem Tag nur einer zum Zuge kommen. Die zweite geplante Zeugin zum Komplex Nagelbombenanschlag schaffte es nicht ins Gericht, wegen eines Schwächeanfalls sei sie ins Krankenhaus gekommen.

Der heute gehörte Zeuge arbeitete im Reisebüro seines Vaters, direkt gegenüber dem Friseursalon, vor dessen Schaufenster die Bombe hochging. Zur Tatzeit stand ein großer Mercedes Sprinter vor dem Geschäft, er war mit seiner Schwester im Büro, der Vater war kurz davor rausgegangen. Die Explosion habe das Glas zerstört, die hölzerne Eingangstür beschädigt. Der Lieferwagen habe vieles abbekommen, sie hätten später viele Dellen auf der Bombenseite gesehen. Körperliche Verletzungen habe er somit nicht davongetragen, nur herrschte fortan Angst: man habe sehr darauf geachtet, wer warum in die Keupstrasse kommt.

Anwesend waren auch zwei Sachversteändige, die zum Komplex bereits zu einem früheren Zeitpunkt Bewertungen vorgetragen hatten. Götzl las ihnen die Zusammenfassung der Aussagen zweier Zeugen – dem Vater des heutigen Zeugen und einem Friseur – vor, deren Einvernahme die Sachverständigen nicht beigewohnt hatten. Zum Schluss wiederholten diese ihre Bewertung, diese Aussagen einbezogen: während der Vater durch eine gewisse Entfernung zum Tatort relativ geschützt war, habe sich der Friseur durch seine Position im Laden in absolut akuter Lebensgefahr befunden und der Sohn des Reisebüroinhabers war der Glassplitterflut ausgesetzt, wenn auch die Nägel in seine Richtung vom Sprinter abgefangen wurden.

Vor der Mittagspause gab es dann einen Beweisantrag seinens des Nebenklageanwalts Langer , die Quittung einer Shell-Tankstelle aus Zwickau betreffend – Zeugen dazu würden beweisen, dass mit dem auf den 28.10.2011 lautenden, vermeintlich im Wohnmobil in Eisenach gefundenen Papier aus einer fünf Minuten Fahrzeit von der Frühlingsstraße entfernten Tankstelle knapp 16 Liter Super Benzin gekauft wurden, was nicht fürs Wohnmobil gedacht sein konnte, da dies ein Dieselfahrzeug war. Die Nebenklage möchte beweisen, dass das Abbrennen der Wohnung am 04.11.2011 kein kurzfristiger Entschlusses war, sondern spätestens einige Tage vor der eigentlichen Tat geplant war. Die Menge des besorgten Kraftstoffs liege im von verschiedenen Experten gezeichneten “grünen Bereich” – 5 bis 20 Liter.

Auch von der Verteidigung Wohlleben gab es Beweisanträge: 1. Sandro Tauber zu laden, der bestägtigen soll, dass Graupner Christian Kapke am Rande einer NPD-Veranstaltung ansprach und laut Meldung des V-Mannes Brandt u.a. berichtete, den Dreien gehe es gut. Laut Kapke soll Edda Schmidt den für ihn fremden Chemnitzer zu ihm geführt haben. Das bestritt Schmidt bei ihrer Aussage in München, sie wisse nichts von einem solchem Gespräch. Laut Brandts Meldung soll Graupner auch mit Tauber gesprochen haben. Die Verteidigung will beweisen, dass Wohlleben, der bei der Versanstaltung auch anwesend gewesen sein soll, keine wichtige Rolle gespielt habe, wie die Staatsanwaltschaft behauptet, sonst wäre er der Adtressat dieser Information gewesen – und nicht Kapke.  2. Wohllebens Freund Mario Brehme zu laden, der bestätige, dass es im Oktober 2000 einen Kontakt zwischen Wohlleben und zum Magazin stern gab. Das Blatt wollte Zugang zu den “Dreien” und habe angeblich 50.000 bis 60.000 DM in Aussicht gestellt, laut Meldung des V-Manns Brandt über ein Gespräch zwischen Brandt, André Kapke, Mario Brehme und Wohlleben: Wohlleben habe versucht das finanziell lukrative Treffen zu organisieren. Beim nächsten Treffen – diesmal ohne Wohlleben – wurde beschlossen, doch nicht mitzumachen, aus Angst dem THS zu schaden. Die Anwälte des NPD-Funktionärs wollen damit beweisen, dass wenn Wohlleben in die ganze Sache verstrickt gewesen wäre, so würde er allein aus Selbstschutz nicht versuchen, den Kontakt zu organisieren: zu der Zeit gab es bereits das erste NSU-Opfer und etliche Überfälle. Wohlleben habe also entweder keine Waffe besorgt oder, wenn doch, so ohne Bedenken, dass damit gemordet würde. 3. Einen Zeugen aus dem Freundenkreis des – Stichwort Ceska-Import aus der Schweiz – Mitfirmeninhabers Zbinden zu laden, der beweisen würde, dass Zbindens Waffenbucheinträge nicht vertrauenswürdig seien, weil einige Waffen mit an Firmenmitarbeiter ausgestellten Waffenscheinen an Personen verkauft wurden, die zum Erwerb sonst keine Berechtigung gehabt hätten.

Am Nachmittag trat dann der ehemalige Geheimschutzbeauftragte des LfV Hessen, Gerald Hess, im Zeugenstand. Es ging um seine drei Telefonate mit Andreas Temme sowie um das Steuern bzw. Verhindern polizeilicher Ermittlungen seitens des LfV.

Auszüge aus einem dieser Telefonate  gingen durch das Lancieren der Nebenklagevertretung der Familie Yozgat vor Monaten erst in die “Welt” und dann durch viele Medien. Auch wir waren punktuell elektrisiert (unter vorstehendem Link finden sich übrigens die offiziellen Transkribtionen durch die Polizei als pdf-Download) von “Ich sage ja jedem: Wenn er weiß, dass irgendwo so etwas passiert, bitte nicht vorbeifahren” – JETZT wo wir diesen Satz erstmals (!) nicht nur lesen sondern auch hören konnten (die vollständigen Mitschnitte wurden eingespielt, nicht nur der sep. Satz) sieht das anders aus. Der Ton macht tatsächlich die Musik und der hat wenig bis nichts mit dem zu tun, wie es die “Welt” in Audios nachsprach und verbreitete! Im Original klingt es tatsächlich eher wie ein Versuch, mit einem locker gemeinten Spruch ein schwieriges Gespräch mit Temme anzufangen. WOHLGEMERKT: dass Temme lügt, den Mord zumindest mitgekriegt hat, steht für uns trotzdem außer Zweifel, ebenso dass Kollegen und Vorgesetzte von ihm vieles dazu zumindest aktiv verschleiern! Soviel als kleiner Einschub “aus Gründen” – zurück ins OLG, zum unmittelbaren Prozessgeschehen der letzten Tage:

Hess “erläuterte”, mehrfach von Götzl zu dieser Formulierung nachgefragt, das was er auch schon im UA Hessen dazu sagte – u.a. es war ironisch gemeint. Aber auch nach dem Motto: hinterher sei man schlauer. Wenn Temme gewusst hätte, welche Schwierigkeiten er bekäme, hätte er einen großen Bogen gemacht, was widerum die Frage nach sich zog, dass das doch bedeuten würde, dass Temme gewusst hätte, dass an dem Ort zumindest irgendetwas geschehen würde. Es sei einfach “eine Eröffnungsklausel” gewesen, so der Zeuge daraufhin.

Weiter ging es um die “so nah wie möglich an der Wahrheit” Formulierung, die Hess zweimal fast hintereinander Temme gegenüber gebrauchte. Das sei so gemeint, dass er – Temme – im Rahmen seiner Vorschriften – die Wahrheit sage, – Stichwort Aussagegenehmigungen bzw -beschränkungen, die ja bei seinem damaligen Arbeitgeber Standart sind .  Keinesfalls natürlich eine Aufforderung zum Lügen…

Zu seiner eigenen Rolle erklärte der Geheimschutzbeauftragte, eine “Poststelle” zwischen dem Amt und der Polizei gewesen zu sein. Er habe die Fragen der Ermittler entgegengenommen, weitergeleitet und die Antworten zurück an die Polizei gegeben. Er habe nichts reinredigiert oder zurückgehalten, bekundete er auf Nachfrage der Nebenklage. Er habe versucht, die Polizei bei der Arbeit zu unterstützen, damit das unangenehme Thema für das Amt schnell vorbei war. Auf die Vorhalte der Nebenklage, die aus Vermerken der Polizisten über das gemeinsame Treffen bei der Staatsanwaltschaft zusammen mit dem LfV zitierte, er sei dagegen gewesen, die von Temme geführten Quellen von der Polizei befragen zu lassen (damals mit der Begründung, dass das zur Abschaffung der Quellen fürhren würde, also das Schlimmste was dem LfV passieren könnte: man müsse “nur” eine Leiche neben einem Verfassungsschützer platzieren, so könne man die gesamte Arbeit des LfV lahmlegen…), meinte Hess sinngemäss, dass was die Polizei (gegen Temme) gehabt hatte, sei für ihn nicht ausreichend gewesen, irgendwann sei ja auch der Vorwurf in Gänze fallengelassen worden. Zum Vorwurf der Polizei, das Amt gebe Temme Rückendeckung – wenn Temme diese Unterstützung nicht hätte, so würde er mit der Wahrheit rausrücken -, meinte Hess, er habe den Eindruck gehabt, die Polizei sei mit ihren Ermittlungen nicht weiter gekommen, und habe das als Grund vorgeschoben. Sie habe Behauptungen aufgestellt, keine Fakten geliefert – dagegen habe er sich verwahrt.

Weiter hielt die Nebenklage Hess vor, er erwähne in einem Telefonat Temme gegenüber, dass die Polizei wissen wolle, ob Temme bei anderen, vorherigen Taten dabei gewesen sei. Diese Information sei aus dem Fragenkatalog der Polizei, die an das LfV mit dem Vermerk “vertraulich” gegangen sei. Warum er dies trotzdem an den Beschuldigten weiter gegeben habe? “Vertraulich” sei “Naja, nicht geheim, keine Verschlusssache!”, so Hess. Er habe so der Polizei mögliche Nachfragen ersparen wollen, es war nur als Anregung für Temme gedacht…

PS: frisch von der OLG-Pressestelle – die neueste Terminvorschau für die kommende Woche nebst Hinweis, dass es weiter geht mit dem perversen nur 2-Tage-verhandeln wegen der angeblich so angeschlagenen Zschäpe:

“Die Termine vom 02.07.2015 und vom 16.07.2015 wurden abgesetzt!

Folgende Zeugen und Sachverständige sind zu den nachfolgenden Terminen geladen (Stand  25.06.2015):

Dienstag, 30.06.2015 (Foto- und Filmaufnahmen erlaubt)

09.30 Uhr Aleksander H. (Umfeld Angeklagte)

11.00 Uhr Eva S.-T. (Erkenntnisse zum Mitführen einer Plastiktüte durch den Zeugen Andreas T. am 06.04.2006)

13.00 Uhr Andreas T. (Mitführen einer Plastiktüte durch den Zeugen am 06.04.2006; Inhalt von Telefonaten mit dem Zeugen H. im Jahr 2006)

Mittwoch, 01.07.2015 (Foto- und Filmaufnahmen erlaubt)

09.30 Uhr KK’in Pflug, BKA Meckenheim

09.30 Uhr KHK Zenk, PD Rastatt

13.00 Uhr N. Görlitz, Ministerium des Innern des Landes Brandenburg (Führung des V-Mannes Carsten S.)”

nsu-prozess: vorschau der geladenen zeugen 28. – 30. januar 2014

aus den offiziellen presseunterrichtungen des OLG münchen zum NSU-prozess und allein deswegen ohne gewähr.

“Folgende Zeugen und Sachverständige sind zu den nachfolgenden Terminen geladen (Stand 24.01.)

Dienstag, 28.01.2014

09.30 Uhr Andreas S. (Herkunft Tatwaffe Ceska)

14.00 Uhr  Frank L.  (Umfeld Angeklagte)

Mittwoch, 29.01.2014

10.45 Uhr  Andreas T.  (Fall Yozgat – Fortsetzung Vernehmung)

Donnerstag, 30.01.2014

09.30 Uhr KHK Tiefenbacher, LKA Baden-Württemberg
(Tatkomplex Kiesewetter – Umfeldermittlungen)

11.00 Uhr KHK Rommel (Fall Yozgat – Tatortbeschreibung)

13.00 Uhr KK Giedke, BKA Meckenheim (Tatkomplex Kiesewetter – Umfeldermittlungen)

Die Zeugenvernehmungen finden im Sitzungssaal A 101 (Schwurgerichtssaal),
Nymphenburger Straße 16, im Strafjustizzentrum München statt.”

von fehlenden grubenlampen, der masche der SZ und einem vorbetraften zeugenbeistand

drei zeugen sollen in diesem jahr noch gehört werden: eine ehemalige nachbarin von zschäpe via videoschalte, der vater von mundlos und andre kapke (links im bild, mit seinem anwalt waldschmidt, dem vize-chef der hessischen NPD. – copyright: das ZOB

diese woche ging es beim nsu-prozess in münchen u.a. um einen wasserschaden, den das “trio” in seiner vorletzten bekannten wohnung (polenzstrasse) erlitten habe, weil irgendjemand über ihnen – wohl bewusst, evtl. sogar zielgerichtet gegen zschäpe - einen hahn, der keinen regulären abfluss mehr in seiner nähe hatte und somit zwingend für trouble sorgen musste, aufgedreht bzw. offen gelassen hatte. dieser jemand war mutmaßlich ein inzwischen fast 23-jähriger, der sowohl aus damaliger als auch aus heutiger sicht im extrem rechten spektrum zu verorten ist. nicht zuletzt weil er jüngst NPD-propaganda und einschlägige musik verbreitete und  vor monaten in einer ARD-doku (ab minute 38 und 45 sekunden ff.) u.a. (!) verkündete, dass ihm ausländer, wenn die sich in deutschland nicht sprichwörtlich zu tode schuften, nur hassgefühle entlocken. warum aber nun ein vielleicht nur dumper glatzkopf und (s)ein wasserschaden im kontext NSU? also im zusammenhang von zehn morden und gemeingefährlichen bombenattentaten eine rolle spielt fragen sie sich?

zum einen: weil zschäpe im zuge der ermittlungen zu der wassergeschichte dereinst höchstpersönlich als zeugin bei der polizei aufgelaufen sein soll. in der zeit lebte sie sogenannt “unentdeckt” im “untergrund” und so erschien sie wohl mit einem fremden, namentlich auf ihre dubiose freundin susann eminger* ausgestellten ausweis, den der ermittelnde beamte wiederum nur oberflächlich kontrolliert haben will. und das obgleich er aufgrund des klingelschildes und aufgrund von aussagen der nachbarn ursprünglich eigentlich eine lisa/liese dienelt und eben keine eminger zur aussage erwartet haben sollte. aber wo er schon mal einen offenkundig extrem oberflächlichen tag hatte, störte es herrn “KHM Rautenberg, PD Südwestsachsen” anscheinend auch nicht, dass die unterschrift, die zschäpe bei besagten amtsbesuch unter ihr zeugenprotokoll setzte, mit der im pass der freundin wohl nicht annähernd ähnlichkeit hatte.

zum anderen: die geschichte wird erst richtig spannend, weil zschäpe sich bei ihrem amtsbesuch offenkundig in begleitung des realen manns ihrer freundin, also an der seite von andre eminger befand. der konnte dann zwar sein reales passdokument vorgelegt haben, jedoch war der ‘nationalsozialistisch denkende skinhead aus der arbeiterklasse’ (selbstbeschreibung aus den späten 1990er jahren) just in jenen tagen, als in der zwickauer polenzstrasse das wasser durchs halbe haus gelaufen sei und der polizeistellenbesuch vonstatten ging, (erneut!) im visier von geheimdiensten! im januar diesen jahres war das sogar dem spiegel eine größere geschichte wert. wobei wir schon damals kritikwürdig fanden, dass ”Im Schein der Grubenlampe” letztlich daraus nur zwei (“Schlampten die Geheimdienstler also? Oder war André E. an jenem Tag tatsächlich nicht im Versteck der Terrorzelle?”) von mindestens drei naheliegenden gedankengängen ableitete und somit nicht in erwägung zog, dass bestimmte ereignisse bewusst zumindest aus den bekannten akten herausgehalten wurden. und heute? obgleich eben der wasserschaden nunmehr ausführlich thema im prozess war, greift es unserer beobachtung nach kein deutsches mainstreammedium auch nur am rande auf, dass zumindest einzelne beamte damals mitbekommen haben sollten, wo das “trio” ende 2006 abgeblieben war.

staatlich verordnete sprechbremse für ehemaligen v-mann des dubiosen temme

in besagtem spiegel-text war auch vom militärischen abschirmdienst (MAD) die rede, der die letzten tage auch noch bei einem anderen “zeugen” eine rolle spielte: es ging um einen von andreas temme (der verfassungsschutzmitarbeiter, der an einem der tatorte zur tatzeit war und trotzdem nichts mitbekommen haben will) geführten v-mann. dem einmal mehr hochnotpeinlichen widerstand des vorsitzenden richters zum trotz gelang es einem nebenklageanwalt bei gebäudereiniger benjamin gärtner herauszuarbeiten, dass dieser nicht nur zeitweise dem hessischen verfassungsschutz unterstellt, sondern bereits 2001 von einschlägigen behörden der bundeswehr zum spitzeln aufgefordert war. jener mann, den die süddeutsche zeitung ganz im duktus des herrn temme systematisch als “eher kleines Licht” darzustellen versucht, obgleich ihn dieser selber allein in puncto glaubwürdigkeit und zuverlässigkeit als genauso wichtig einstufte wie es andere behörden mit topinformant tino brandt taten**.

dass gärtner in münchen trotzdem kaum erhellendes zur rolle seines einstigen vorgesetzten rund um den tatort kassel (mordfall yozgat) beitrug, lag denn auch an einer ganz besonderen perversion, die beispielsweise allen voran wieder einmal die SZ (die die MAD geschichte gleich mal ganz unter den tisch fallen ließ) kaum erwähnenswert findet: der verfassungsschutz hat ihm - obwohl gärtner seit 2007 nicht mehr für selbigen tätig sei – den mainzer rechtsanwalt volker hoffmann an die seite gestellt. fast könnte man sagen: nicht nur bezahlt, sondern quasi aufgenötigt. vor ort hatten jedenfalls zahllose kritische beobachter den eindruck, dass jener als zeugenbeistand fungierende, dereinst auch den ex-präsidenten des bundesamts für verfassungsschutz (!) und ex-staatssekretär im verteidigungsministerium holger pfahls rund um das thema waffenschieber schreiber verteidigende und letztlich wegen dubioser machenschaften selber vorbestrafte hoffmann nicht primär um das wohl und wehe des vermeintlich ehemaligen v-manns besorgt war, sondern rein staatlichen interessen diene. man darf gespannt sein, ob und wann g. weiter vor dem OLG aussagen wird und in wessen begleitung. dieser tage hat die bundesanwaltschaft im nsu-prozess hier erst einmal die reißleine gezogen: mit dem totschlagargument “aussagegenehmigungen”, mit dem sich die judikative hierzulande von zahllosen geheimdienstmenschen und sonstigen behördenvertretern regelmäßig auf der nase herumtanzen lässt. wir bleiben jedenfalls dran am ehemaligen postboten temme, der von NDR panorama und eben der in sachen NSU nur mehr aberwitzig zu nennenden SZ quasi schon vor längerem die absolution erhielt.

das SZ-gespann leyendecker und schultz verwässert abermals

immer mit dabei “journalistenurgestein” hans leyendecker. zu temme entblödete er sich dereinst in einem ARD-frühschoppen (aka presseclub) nicht einmal, das ganze thema als ausermittelt darzustellen, obgleich ihm – erst recht mit all dem aktenwissen, dass gerade die süddeutsche frühzeitigst hatte – all die ungereimtheiten um diese person und sein rechtes umfeld hinlänglich bekannt sein mussten. und diese woche legte er mit seiner “bewährten” verwässerungsmethode, heikle recherchen anderer redaktionen subtil zu verunglimpfen, in sachen blindwütigem staatsgehorssam nochmal nach. sein co-autor: abermals tanjev schultz, der eben letzte woche als nsu-prozessbesucher die MAD geschichte des von temme geführten v-manns unter den tisch kehren durfte.

nun ging es aus aktuellem anlass über eine geschichte von report mainz. den tv-kollegen scheint es doch tatsächlich gelungen einen zeugen zu einer eidesstaatlichen aussage zu bewegen, dass im jahre 2003 – inmitten der mordserie – der damalige ständige vertreter des präsidenten im landeskriminalamt, ein gewisser werner jakstat, höchst persönlich plausible spuren zur verfolgung des “trios” nicht verfolgen lassen wollte. weil aber in sachen nsu und staatliches mitwissen, aktives wegschauen und oder gar direktes fördern von mundlos, böhnhardt, zschäpe und ihrem umfeld nicht sein kann, was nicht sein darf, hat die SZ mal wieder gnadenlos quergeschossen: dass report mainz bereits erklärt hat, dass sich die fragliche zeugenaussage eben nicht mal um ein dreiviertel jahr zurückliegende ereignisse rankte, geschweige denn um zwei oder drei jahre zurückliegendes, ist dabei noch der kleinste schönheitsfehler. überschrift und teaser lesen sich dabei zunächst gar noch kritisch. aber erst dadurch wirkt der dreck, der danach ausgeschüttet wird, bei der masse oberflächlicher leser, die leider wohl niemals den prozess selber besuchen werden, wohl umso nachhaltiger. was in den köpfen der bevölkerung am ende wieder hängen bleiben darf: vieles mutet seltsam an, aber im grunde ist alles eben nur ganz dumm gelaufen, alles zufall, schlimmstenfalls dummheit oder eitelkeit auf behördenseite. wer etwas anderes behauptet ist ein verschwörungstheoretiker. und wenn das nicht reicht, kommt bestimmt demnächst noch unverholener die drohung, mit neonazis in einen topf geworfen zu werden, weil die ja punktuell auch behaupten – und es tatsächlich zur entlastung der von verbot “bedrohten” verf*** wie gemeingefährlichen NPD auch gut gebrauchen können – dass der staat bei den nsu-morden ganz ungehörig mitmischte.

ein paar mal werden wir noch wach: heißa schon wieder kapke-tag

apropos neonazis und npd. ein mann, der unseres erachtens neben manch anderen – unter anderem temme – zwingend auf die anklagebank in münchen gehört, ist andré kapke. am 20.12. soll er erneut als zeuge auflaufen. mutmaßlich wird er dann auch wieder von anwalt waldschmidt begleitet, dem vize-chef der hessischen NPD, der unlängst daneben saß, als der “selbstständige bauarbeiter” im kontext von ausländern als unkraut sprach. das übel (die wurzel) sei aber der staat, der zuzug ermögliche. ihn, nicht direkt die den neonazis unwillkommenen menschen, gelte es deshalb zu bekämpfen. ob bei kapkes weiterer einvernahme zu erwartende kritische fragen der nebenklage – etwa zu den themenbereichen blood&honour und marcel “riese” degner – von dem hierzu schweigenden (!), in puncto launen ansonsten unberechenbaren und in sachen deckeldrauf- und akten vorenthalten dafür zuverlässig auf staatsanwaltschaftslinie scheinenden vorsitzenden richter götzl abermals ausgebremst werden? ob die SZ, wenn es zu direkten oder indirekten staatlichen verantwortlichkeiten kommt, vielleicht sogar vergisst, dass kapke eine schlüsselfigur der “kameradschaft jena” und des “thüringer heimatschutzes” war? wir halten sie auf dem laufenden.

PS: BITTE folgen sie uns / folgt uns auch auf twitter (twitter.com/das_ZOB) und auf unserer facebookseite (www.facebook.com/dasZOB) – und wer den einen oder anderen motivations- und unkostenabfederungseuro über hat: wirklich (!) unabhängige NSU-prozessberichterstattung können sie via Kt.Nr.: 5408979333, BLZ: 50010517 (IBAN DE78 5001 0517 5408 9793 33 – BIC INGDDEFF) sichern…

* deren mann andre derzeit in münchen wenigstens nominell auch auf der anklagebank sitzt, aber ominöserweise - obwohl offiziell nicht im zeugenschutz – auf freiem fuss ist. dabei galt er neben zschäpe lange als wichtigster beschuldigter bei den ermittlungen zum “nationalsozialistischen untergrund”, viele medien haben ihn als “vierten Mann” tituliert

** wie hierzulande unserer beobachtung nach leider nur die stuttgarter nachrichten treffend ausführten, die in sachen nsu-komplex unseres erachtens ohnedies neben der jungen welt von den bekannteren medien, die aus münchen berichten, immer mal mindestens einen klick bzw. blick wert sind