von zschäpes punker-fick, treffen mit altnazis in hessen und nrw, mundlos’ unschönem köfferchen ohne sprengstoff und einem tendenziell störenden bauch

bis vor einigen monaten haben wir hier immer auch eine aufzählung der zeugen einer kommenden prozesswoche geliefert, diese veröffentlichen aber ja inzwischen sprichwörtlich hinz und kunz. ohnedies haben wir viele inhalte in diese facebookgruppe ausgelagert. in der ersten sitzungswoche nach ostern wird jedenfalls neben vielen zeugen zu banküberfällen ein zeuge erwartet, der die vergangenen monate bereits zwei mal geladen war. und das OLG presseteam schafft es – irgendwie auffällig – heute zum dritten mal in folge bei diesem herrn anders als bei nahezu allen anderen vorschauen keine silbe zu verlieren, warum er in münchen erscheinen soll, zu welchem “beweisthema”. dabei fanden sich teile seiner früheren aussagen bereits 2012 im spiegel – er war derjenige, der kolportierte, dass zschäpe vor den uwes mit einem stadtbekannten punk zusammen gewesen sei…

aleksander harisanow ist jahrgangg 1974, in der 5. oder 6. klasse sei er in einer parallelklasse von mundlos gewesen, in der folge betrieb man gemeinsam radsport, gemeinsam mit andreas reinl, der kurz vor ostern in münchen gehört wurde und mundlos als fan von “paulchen panther” sprüchen beschrieben hatte.  bis 98 habe man zumindest losen kontakt gehabt, nach dem “abtauchen” habe wohlleben ihn gebeten mundlos’ fahrrad zu verticken, damit die drei geld für ihre flucht haben. in seiner vernehmung ende 2011 äußerte er sätze wie “Unsere letzte gemeinsame ,Aktion” war beim ,Fest der Völker” auf der Burg” Lobdeburg, da bin ich das letzte Mal abends mit Uwe unterwegs gewesen. Mit Aktion meine ich, dass wir uns dort ins Feuer gucken und ein Bier trinken wollten. Mehr möchte ich mit dem Wort ,Aktion” nicht ausdrücken. Auf der Burg wurde das Gedankengut dann jedoch so sehr nationalsozialistisch, dass der Kreis für mich nicht mehr akzeptabel war. Da Sie mich fragen, an welche Personen ich mich noch erinnern kann, welche ebenfalls dort waren: Ich kann mich dort nur noch an den Kapke als Redner erinnern, der Wohlleben war zu dumm, um Reden zu halten. Jedenfalls damals.”

oder “Es gab auch bei früheren gemeinsamen ,Aktionen’ Zwischenfälle mit Körperverletzungen bei Schlägereien. Dies geschah meist bei Besuchen in einer ,Dorf-Disco”.. wo das genau war, weiß ich nicht mehr. Ich war damals meistens Fahrer, weil ich nüchtern blieb. Nüchtern blieb ich wiederum, weil mir klar war, dass es im Rahmen dieser Besuche zu Auseinandersetzungen kommen konnte. Obwohl ich mich optisch von den anderen Mitfahrern unterschied und auch deren Gedankengut nicht mittrug, fuhr ich aus meiner Sicht gemeinsam mit Uwe dorthin. Es kam auch nicht jedes Mal zu körperlichen Auseinandersetzungen. Es gab auch Abende, die ganz normales Weggehen waren. Ich war einfach mit meinem Freundeskreis.unterwegs und es hat sich so ergeben, dass ich gefahren bin. So ca. im Zeitraum 1994-1996 war das, da waren meistens die Zschäpe, manchmal der Kapke, immer der Uwe Mundlos, auch der Böhnhardt war damals relativ selten dabei. Uwe Mundlos war klar als Nazi zu erkennen äußerlich. Ich selbst hatte zwar kurze Haare, trug jedenfalls aber keine szenetypische Kleidung und hatte ja auch gedanklich nichts mit deren Ansichten zu tun.”

auf frage der vernehmungsbeamten: “Sie sind 1998 auch nicht von der Polizei besucht worden? Es hat Sie noch nie jemand befragt?” antworte er “So eine Situation wie hier gab es nie. Mir ist dazu nichts in Erinnerung, das hätte ich mir gemerkt, also nein.” – und auch nach “allgemeiner” aktenlage scheint harisanow tatsächlich vor dem “auffliegen des nsu” tatsächlich nie von der polizei oder anderen behörden “interviewt” worden zu sein.

wie selbstverständlich äußerte er dafür ende 2011 auch den verdacht, dass mundlos in den späten 1990ern von hausdurchsuchungen gegen sich gewarnt war – er vermutet durch die entsrechenden behördlichen kontakte von brandt; auch machte er sich schon in seiner jugend angeblich tiefere gedanken woher kapke und co gelder für zeitungen oder die ausrichtungen von festen (der völker) hatten…

“Aus heutiger Sicht möchte ich es so formulieren, dass es sicherlich von außenstehenden Personen, die ich nicht kenne, Finanzspritzen gegeben haben müsste. Auf ihre Frage hin möchte ich sagen, dass ich damit nicht das Elternhaus von Uwe Mundlos meine. Ich kann ihnen auch keine konkreten Personen benennen, ich erinnere mich aber an Einladungen von ,Altnazis”, wie sie Uwe nannte. Ich weiß, dass diese Treffen einmal in Hessen und einmal in NRW stattgefunden haben. Das war noch bevor Uwe aufs Ilmenau-Kolleg gegangen ist und ich erinnere mich auch noch, dass Uwe in dem Zusammenhang von einer finanziellen Basis und davon gesprochen hat, dass diese ,Altnazis” den Nachwuchs im Osten unterstützen wollten.”

im märz 2012 gab es eine weitere vernehmung – dort ging es u.a. erneut um brandt:

“Sie sagten, dass Tino Brandt eine ,doppelte Arbeit’ macht? Wie meinen Sie das?” Antwort: “Ich weiß, dass der Brandt einer von den höheren Personen in der Hierarchiestruktur war und dass er für die Außendarstellung, also die Presse verantwortlich war. Und eine Aussage, die Uwe mal gemacht hat war, dass Brandt auch Informationen an den Verfassungsschutz weitergegeben hat, die innerhalb der Szene intern bleiben sollten. Das war aber nur eine Vermutung von Uwe. Erzählt haben muss er mir das schon während seiner Armeezeit in Bad Frankenhausen, und Uwe sagte mir damals auch, dass er selbst Kontakt zum Verfassungsschutz hatte. In seiner Armeezeit ist er wochenweise seinem Wehrdienst nicht nachgekommen und hatte deshalb Probleme, die durch Feldjäger dahingehend geklärt wurden, dass diese seine Anwesenheitspflicht durchgesetzt haben. Deshalb war er gelegentlich in seiner Kaserne in Bad Frankenhausen im Arrest und dort soll er Kontakt bzw. Besuch vom Verfassungsschutz bekommen haben. Ich vermute, dass er bei diesen Besuchen gemerkt hat, dass es einen Informanten aus der rechten Szene geben muss.”

oder um das magische thema sprengstoff

“In Ihrer ersten Vernehmung haben Sie gesagt, Uwe hätte Ihnen kurz vor seinem Abtauchen gesagt, dass es für ihn gefährlich werden könnte. Wie hat Uwe das gemeint?” Antwort: “Den Bezug dazu hat er über das unschöne Köfferchen, das auf dem Theatervorplatz in Jena platziert wurde hergestellt. Das sollte ihnen angelastet werden, obwohl sich in dem Koffer gar kein Sprengstoff befunden haben soll, sondern nur ein Hakenkreuz außen. Er hatte damals laufend Kontakt zur Polizei und sagte mir, dass kein Sprengstoff in dem Koffer war, so ermittelt wird, als wäre Sprengstoff drin gewesen.”

und last but not least ging es in vernehmung nummer zwei um das richter götzl wohl am meisten interessierende: mundlos als radfahrer. der zeuge ist sich schließlich sicher: “Wir sind lange Freunde gewesen und ich habe auch eine Vorstellung von seiner Bewegung im Kopf. Ich habe aufgrund meines Berufes als Trainer für den Radsport ein Auge für die Bewegung. Ich kann meine Sportler anhand ihrer Silhouette in Bewegung erkennen, da brauch ich kein Gesicht dazu.”

nach vorführung eines  rund siebenminütigen clips der im vernehmungsprotokoll als “das Tätervideo Keupstraße vom 28.02.2012″ ausgewiesen wird (was aber wohl meint, dass an jenem tag aus den teils 2004 veröffentlichten videosequenzen von “viva” 2012 etwas behördenintern zusammngestellt wurde) sagte harisanow: “Wäre die Sequenz herausgelöst aus dem Zusammenhang gezeigt worden hätte ich niemanden erkannt. In diesem Zusammenhang würde ich den Herrn mit den beiden Beuteln und den beiden Fahrrädern als BÖHNHARDT erkennen und den, der das Fahrrad mit dem Hardcase geschoben hat als MUNDLOS erkennen. BÖHNHARDT ist erkennbar durch seine abstehenden Ohren, die angelegten Ellenbogen sowie die nach außen gerichteten Füße. MUNDLOS ist derjenige mit dem einzelnen Fahrrad mit dem Hardcase, er hat einen geraden Gang, gerade nach vorn gesetzten Füße, eckige Schultern. Er wirkte schlank und relativ groß. Auch sieht es aus, als hätte MUNDLOS einen Bauch. Das stört mich etwas, weil ich ihn nur durchtrainiert kenne. Ich möchte mich auch nicht zu hundert Prozent festlegen, da dafür die Bildqualität insgesamt zu schlecht ist und die Bewegungen nicht fließend, sondern abgehakt aufgenommen sind. Ich würde meine Einschätzung als höchstens 50% angeben.”

von fehlenden grubenlampen, der masche der SZ und einem vorbetraften zeugenbeistand

drei zeugen sollen in diesem jahr noch gehört werden: eine ehemalige nachbarin von zschäpe via videoschalte, der vater von mundlos und andre kapke (links im bild, mit seinem anwalt waldschmidt, dem vize-chef der hessischen NPD. – copyright: das ZOB

diese woche ging es beim nsu-prozess in münchen u.a. um einen wasserschaden, den das “trio” in seiner vorletzten bekannten wohnung (polenzstrasse) erlitten habe, weil irgendjemand über ihnen – wohl bewusst, evtl. sogar zielgerichtet gegen zschäpe - einen hahn, der keinen regulären abfluss mehr in seiner nähe hatte und somit zwingend für trouble sorgen musste, aufgedreht bzw. offen gelassen hatte. dieser jemand war mutmaßlich ein inzwischen fast 23-jähriger, der sowohl aus damaliger als auch aus heutiger sicht im extrem rechten spektrum zu verorten ist. nicht zuletzt weil er jüngst NPD-propaganda und einschlägige musik verbreitete und  vor monaten in einer ARD-doku (ab minute 38 und 45 sekunden ff.) u.a. (!) verkündete, dass ihm ausländer, wenn die sich in deutschland nicht sprichwörtlich zu tode schuften, nur hassgefühle entlocken. warum aber nun ein vielleicht nur dumper glatzkopf und (s)ein wasserschaden im kontext NSU? also im zusammenhang von zehn morden und gemeingefährlichen bombenattentaten eine rolle spielt fragen sie sich?

zum einen: weil zschäpe im zuge der ermittlungen zu der wassergeschichte dereinst höchstpersönlich als zeugin bei der polizei aufgelaufen sein soll. in der zeit lebte sie sogenannt “unentdeckt” im “untergrund” und so erschien sie wohl mit einem fremden, namentlich auf ihre dubiose freundin susann eminger* ausgestellten ausweis, den der ermittelnde beamte wiederum nur oberflächlich kontrolliert haben will. und das obgleich er aufgrund des klingelschildes und aufgrund von aussagen der nachbarn ursprünglich eigentlich eine lisa/liese dienelt und eben keine eminger zur aussage erwartet haben sollte. aber wo er schon mal einen offenkundig extrem oberflächlichen tag hatte, störte es herrn “KHM Rautenberg, PD Südwestsachsen” anscheinend auch nicht, dass die unterschrift, die zschäpe bei besagten amtsbesuch unter ihr zeugenprotokoll setzte, mit der im pass der freundin wohl nicht annähernd ähnlichkeit hatte.

zum anderen: die geschichte wird erst richtig spannend, weil zschäpe sich bei ihrem amtsbesuch offenkundig in begleitung des realen manns ihrer freundin, also an der seite von andre eminger befand. der konnte dann zwar sein reales passdokument vorgelegt haben, jedoch war der ‘nationalsozialistisch denkende skinhead aus der arbeiterklasse’ (selbstbeschreibung aus den späten 1990er jahren) just in jenen tagen, als in der zwickauer polenzstrasse das wasser durchs halbe haus gelaufen sei und der polizeistellenbesuch vonstatten ging, (erneut!) im visier von geheimdiensten! im januar diesen jahres war das sogar dem spiegel eine größere geschichte wert. wobei wir schon damals kritikwürdig fanden, dass ”Im Schein der Grubenlampe” letztlich daraus nur zwei (“Schlampten die Geheimdienstler also? Oder war André E. an jenem Tag tatsächlich nicht im Versteck der Terrorzelle?”) von mindestens drei naheliegenden gedankengängen ableitete und somit nicht in erwägung zog, dass bestimmte ereignisse bewusst zumindest aus den bekannten akten herausgehalten wurden. und heute? obgleich eben der wasserschaden nunmehr ausführlich thema im prozess war, greift es unserer beobachtung nach kein deutsches mainstreammedium auch nur am rande auf, dass zumindest einzelne beamte damals mitbekommen haben sollten, wo das “trio” ende 2006 abgeblieben war.

staatlich verordnete sprechbremse für ehemaligen v-mann des dubiosen temme

in besagtem spiegel-text war auch vom militärischen abschirmdienst (MAD) die rede, der die letzten tage auch noch bei einem anderen “zeugen” eine rolle spielte: es ging um einen von andreas temme (der verfassungsschutzmitarbeiter, der an einem der tatorte zur tatzeit war und trotzdem nichts mitbekommen haben will) geführten v-mann. dem einmal mehr hochnotpeinlichen widerstand des vorsitzenden richters zum trotz gelang es einem nebenklageanwalt bei gebäudereiniger benjamin gärtner herauszuarbeiten, dass dieser nicht nur zeitweise dem hessischen verfassungsschutz unterstellt, sondern bereits 2001 von einschlägigen behörden der bundeswehr zum spitzeln aufgefordert war. jener mann, den die süddeutsche zeitung ganz im duktus des herrn temme systematisch als “eher kleines Licht” darzustellen versucht, obgleich ihn dieser selber allein in puncto glaubwürdigkeit und zuverlässigkeit als genauso wichtig einstufte wie es andere behörden mit topinformant tino brandt taten**.

dass gärtner in münchen trotzdem kaum erhellendes zur rolle seines einstigen vorgesetzten rund um den tatort kassel (mordfall yozgat) beitrug, lag denn auch an einer ganz besonderen perversion, die beispielsweise allen voran wieder einmal die SZ (die die MAD geschichte gleich mal ganz unter den tisch fallen ließ) kaum erwähnenswert findet: der verfassungsschutz hat ihm - obwohl gärtner seit 2007 nicht mehr für selbigen tätig sei – den mainzer rechtsanwalt volker hoffmann an die seite gestellt. fast könnte man sagen: nicht nur bezahlt, sondern quasi aufgenötigt. vor ort hatten jedenfalls zahllose kritische beobachter den eindruck, dass jener als zeugenbeistand fungierende, dereinst auch den ex-präsidenten des bundesamts für verfassungsschutz (!) und ex-staatssekretär im verteidigungsministerium holger pfahls rund um das thema waffenschieber schreiber verteidigende und letztlich wegen dubioser machenschaften selber vorbestrafte hoffmann nicht primär um das wohl und wehe des vermeintlich ehemaligen v-manns besorgt war, sondern rein staatlichen interessen diene. man darf gespannt sein, ob und wann g. weiter vor dem OLG aussagen wird und in wessen begleitung. dieser tage hat die bundesanwaltschaft im nsu-prozess hier erst einmal die reißleine gezogen: mit dem totschlagargument “aussagegenehmigungen”, mit dem sich die judikative hierzulande von zahllosen geheimdienstmenschen und sonstigen behördenvertretern regelmäßig auf der nase herumtanzen lässt. wir bleiben jedenfalls dran am ehemaligen postboten temme, der von NDR panorama und eben der in sachen NSU nur mehr aberwitzig zu nennenden SZ quasi schon vor längerem die absolution erhielt.

das SZ-gespann leyendecker und schultz verwässert abermals

immer mit dabei “journalistenurgestein” hans leyendecker. zu temme entblödete er sich dereinst in einem ARD-frühschoppen (aka presseclub) nicht einmal, das ganze thema als ausermittelt darzustellen, obgleich ihm – erst recht mit all dem aktenwissen, dass gerade die süddeutsche frühzeitigst hatte – all die ungereimtheiten um diese person und sein rechtes umfeld hinlänglich bekannt sein mussten. und diese woche legte er mit seiner “bewährten” verwässerungsmethode, heikle recherchen anderer redaktionen subtil zu verunglimpfen, in sachen blindwütigem staatsgehorssam nochmal nach. sein co-autor: abermals tanjev schultz, der eben letzte woche als nsu-prozessbesucher die MAD geschichte des von temme geführten v-manns unter den tisch kehren durfte.

nun ging es aus aktuellem anlass über eine geschichte von report mainz. den tv-kollegen scheint es doch tatsächlich gelungen einen zeugen zu einer eidesstaatlichen aussage zu bewegen, dass im jahre 2003 – inmitten der mordserie – der damalige ständige vertreter des präsidenten im landeskriminalamt, ein gewisser werner jakstat, höchst persönlich plausible spuren zur verfolgung des “trios” nicht verfolgen lassen wollte. weil aber in sachen nsu und staatliches mitwissen, aktives wegschauen und oder gar direktes fördern von mundlos, böhnhardt, zschäpe und ihrem umfeld nicht sein kann, was nicht sein darf, hat die SZ mal wieder gnadenlos quergeschossen: dass report mainz bereits erklärt hat, dass sich die fragliche zeugenaussage eben nicht mal um ein dreiviertel jahr zurückliegende ereignisse rankte, geschweige denn um zwei oder drei jahre zurückliegendes, ist dabei noch der kleinste schönheitsfehler. überschrift und teaser lesen sich dabei zunächst gar noch kritisch. aber erst dadurch wirkt der dreck, der danach ausgeschüttet wird, bei der masse oberflächlicher leser, die leider wohl niemals den prozess selber besuchen werden, wohl umso nachhaltiger. was in den köpfen der bevölkerung am ende wieder hängen bleiben darf: vieles mutet seltsam an, aber im grunde ist alles eben nur ganz dumm gelaufen, alles zufall, schlimmstenfalls dummheit oder eitelkeit auf behördenseite. wer etwas anderes behauptet ist ein verschwörungstheoretiker. und wenn das nicht reicht, kommt bestimmt demnächst noch unverholener die drohung, mit neonazis in einen topf geworfen zu werden, weil die ja punktuell auch behaupten – und es tatsächlich zur entlastung der von verbot “bedrohten” verf*** wie gemeingefährlichen NPD auch gut gebrauchen können – dass der staat bei den nsu-morden ganz ungehörig mitmischte.

ein paar mal werden wir noch wach: heißa schon wieder kapke-tag

apropos neonazis und npd. ein mann, der unseres erachtens neben manch anderen – unter anderem temme – zwingend auf die anklagebank in münchen gehört, ist andré kapke. am 20.12. soll er erneut als zeuge auflaufen. mutmaßlich wird er dann auch wieder von anwalt waldschmidt begleitet, dem vize-chef der hessischen NPD, der unlängst daneben saß, als der “selbstständige bauarbeiter” im kontext von ausländern als unkraut sprach. das übel (die wurzel) sei aber der staat, der zuzug ermögliche. ihn, nicht direkt die den neonazis unwillkommenen menschen, gelte es deshalb zu bekämpfen. ob bei kapkes weiterer einvernahme zu erwartende kritische fragen der nebenklage – etwa zu den themenbereichen blood&honour und marcel “riese” degner – von dem hierzu schweigenden (!), in puncto launen ansonsten unberechenbaren und in sachen deckeldrauf- und akten vorenthalten dafür zuverlässig auf staatsanwaltschaftslinie scheinenden vorsitzenden richter götzl abermals ausgebremst werden? ob die SZ, wenn es zu direkten oder indirekten staatlichen verantwortlichkeiten kommt, vielleicht sogar vergisst, dass kapke eine schlüsselfigur der “kameradschaft jena” und des “thüringer heimatschutzes” war? wir halten sie auf dem laufenden.

PS: BITTE folgen sie uns / folgt uns auch auf twitter (twitter.com/das_ZOB) und auf unserer facebookseite (www.facebook.com/dasZOB) – und wer den einen oder anderen motivations- und unkostenabfederungseuro über hat: wirklich (!) unabhängige NSU-prozessberichterstattung können sie via Kt.Nr.: 5408979333, BLZ: 50010517 (IBAN DE78 5001 0517 5408 9793 33 – BIC INGDDEFF) sichern…

* deren mann andre derzeit in münchen wenigstens nominell auch auf der anklagebank sitzt, aber ominöserweise - obwohl offiziell nicht im zeugenschutz – auf freiem fuss ist. dabei galt er neben zschäpe lange als wichtigster beschuldigter bei den ermittlungen zum “nationalsozialistischen untergrund”, viele medien haben ihn als “vierten Mann” tituliert

** wie hierzulande unserer beobachtung nach leider nur die stuttgarter nachrichten treffend ausführten, die in sachen nsu-komplex unseres erachtens ohnedies neben der jungen welt von den bekannteren medien, die aus münchen berichten, immer mal mindestens einen klick bzw. blick wert sind

NSU: Der Tiefe Staat – ein ausgeliehenes Gespenst?

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wolf wetzels buch zum thema nsu / verfassungsschutz erschien dieser tage in einer zweiten, erweiterten auflage.

dieser nicht vom ZOB-team direkt verantwortete “gastbeitrag” ist ein “nachdruck” mit freundlicher genehmigung von buchautor wolf wetzel, mit freundlicher empfehlung von uns an unsere leser

Viele, die seit zwei Jahren die ›Aufklärungsarbeit‹ der deutschen Behörden im Fall der neonazistischen Terror- und Mordserie des NSU verfolgen, wollen und können das Eingeständnis eines kompletten Behördenversagens nicht akzeptieren bzw. annehmen. Zuviel bedauerliche Einzelfälle reihen sich aneinander, zu viele Akten wurden im Zuge der ›Aufklärung‹ nicht ausgewertet, sondern vernichtet. Zu viele hochrangige Beamte machten Falschaussagen vor den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen. Zu viele Ermittlungen, die geradezu auf der Hand liegen (wie im Fall des Mordanschlages auf Polizisten in Heilbronn 2007), werden bis heute be- und verhindert.

Wenn man dieser Kettenserie von Pannen und Versehen nicht Glauben schenken kann, dann stellt sich die Frage nach der Systematik, nach den Gründen gewollter Nicht-Aufklärung.

Dabei wird immer wieder auf die in der Tat besondere Rolle der Geheimdienste (VS/MAD) verwiesen. Haben sie sich verselbstständigt? Haben sie die Polizeiarbeit hintergangen, torpediert? Waren die Ermittlungsbehörden Spielball der Geheimdienste? Wurden sie an der Nase herumgeführt?

Die für eine parlamentarische Demokratie entscheidenden Fragen stehen im Raum:

Agierten die Geheimdienste tatsächlich außerhalb jeglicher politischer/parlamentarischer Kontrolle? Führen sie ein Eigenleben als wesentlicher Bestandteil des Staates im Staat?

Obwohl sich diese Fragen geradezu aufdrängen, ist das publizistische Interesse geradezu bescheiden. Zu Beginn des ›NSU-Skandals‹ 2011 fiel noch gelegentlich das Wort vom ›tiefen Staat‹, vom ›Staat im Staat‹. Doch anstatt diesem Vorwurf analytisch und argumentativ nachzugehen, überwiegt heute das Schweigen.

Dankenswerterweise hat sich das Politikmagazin Cicero dieser Fragestellung angenommen. Um die Existenz des ›tiefen Staates‹ in der Türkei zu beschreiben, geht der Autor Michael Kraske in seinem Beitrag ›In den Tiefen des Staatesvom 14.9.2012 auf Ereignisse in 2007/8 ein: Die Polizei findet in einem Haus in Istanbul 27 Handgranaten, Sprengstoff und Geheimdokumente, die auf eine Verschwörung namens ›Ergenekon‹ hinweisen sollen. Am Ende werden mehr als 250 Personen angeklagt. Ihr Ziel: Sturz der derzeitigen Regierung Erdogans, die 2002 an die Macht gekommen war. Das Personal dieser Verschwörung ist hochkarätig: hochrangige Mitglieder des alten kemalistischen Regimes, wie der Ex-Kommandant der 1. Armee, der Ex-Chef der Gendarmerie, der General Ilker Basbug (türkischer Generalstabschef von 2008 bis 2010), der Chef der Arbeiterpartei, (Ex-)Abgeordnete der Republikanischen Volkspartei (CHP) usw.

Mit diesem Bild vom tiefen Staat wendet sich der Autor den deutschen Verhältnissen zu. Er führt die zahllosen Fälle im Kontext der neonazistischen Mordserie auf, in denen Beweise vernichtet, Akten vorenthalten, Untersuchungsausschüsse belogen, »staatliche Kollaboration mit Nazis« betrieben wurden … und kommt zu dem naheliegenden Schluss: »Wenn offen erörtert wird, ob es in Deutschland einen ›tiefen Staat‹ gibt, soll damit nicht die Verschwörung und Verbrüderung staatlicher Institutionen mit Neonazis behauptet werden. Hingegen lassen sich beunruhigende Indizien dafür finden, dass in Teilen der Polizei, Justiz und Politik eine unausgesprochene Übereinkunft darüber herrscht, Rechtsextremismus zu vertuschen und zu verharmlosen. Eine Art Staatsräson, in der das Image als saubere Demokratie Primat des Handelns ist.«

Zweifellos gibt es für diese Art von Staatsräson zahllose Belege. Doch all dies, was der Autor zu Recht beklagt und anklagt, beantwortet die Frage nicht: Wozu braucht es für diese rassistisch geprägte Grundhaltung, für diesen »unausgesprochenen Common Sense«, einen tiefen Staat, einen Staat im Staat?

Als deutliches Indiz für seine Annahme führt er an: »Der demokratiegefährdende Skandal ist, dass sich Verfassungsschützer und Geheimdienstler über die gewählten Parlamentarier erheben, dass sie selbst entscheiden, worüber sie informieren und was sie besser verschweigen.« Diese Willkür offenbare einen »eklatanten Mangel an demokratischer Loyalität«, ebenso an Kontrolle, dass als Konsequenz die Aufgabenbereiche wie auch die Struktur, besonders die parlamentarische Kontrolle der beteiligten Behörden in Bund und Ländern überprüft und korrigiert werden müssten. »Die Verfassungsschutzämter führen ein Eigenleben«, meint Kraske. »In diesem Sinne kann man von einem ›tiefen Staat‹ sprechen: Als einem System, das unterhalb der geltenden Vorschriften und Gesetze ein Eigenleben führt.«

Der Versuch, hinter dem Pannensystem das Systemische herauszuarbeiten, leidet an zweierlei: an der (türkischen) Vorlage und an dem angeführten Beleg. Die hier skizzierte Version vom tiefen Staat in der Türkei zeichnet einen massiven Konflikt zwischen der alten (kemalistischen) und der neuen (islamisch geprägten) politischen Klasse nach. Gehen wir von der Existenz einer Organisation namens ›Ergenekon‹ aus, dann war dies ganz offensichtlich ein Versuch, die alten politischen (kemalistischen) Machtverhältnisse mittels eines Putsches wiederherzustellen.

Von einem solchen politischen Konflikt kann man in Deutschland nicht ausgehen, denn die Staatsräson wird von der politischen Opposition (SPD, Grüne) gleichermaßen geteilt und verteidigt wie von der gegenwärtigen Regierung (CDU/CSU, FDP). Für die Option eines Staates im Staat gibt es keinerlei Anhaltspunkte, keinerlei Notwendigkeit. Im Gegenteil: Der NSU-VS-Komplex belegt in einem Zeitraum von über 13 Jahren, dass das ›Versagen‹ keine Besonderheit der amtierenden schwarz-gelben Bundesregierung ist. Die neonazistische Mordserie begann im Jahr 2000, zuzeiten einer rot-grünen Bundesregierung. Den Common Sense bei der aktiven Nichtaufklärung, bei der Weigerung, die Ermittlungen in Richtung Neonazismus aufzunehmen, teilten sich sozialdemokratische und christdemokratische Innenminister. Der Staatsanteil am NSU, die Unterstützung einer terroristischen Vereinigung durch zahlreiche deutsche Behörden, wird von einer parteiübergreifenden Koalition unterschlagen und gedeckt. Die juristisch mehr als evidente Frage, ob sich deutsche Behörden der Beihilfe zum Mord schuldig gemacht haben, wird weder gestellt noch mit der Einleitung eines Ermittlungsverfahrens geprüft.

Neben dieser gewählten Vorlage, die sich nicht auf deutsche Zustände übertragen lässt, ist aber auch der Beleg für einen hier existierenden tiefen Staat falsch. Als Beweis führt Kraske das »Eigenleben« der Geheimdienste an, die sich jeder parlamentarischen und politischen Kontrolle entzogen hätten.

Für die Existenz eines tiefen Staates bräuchte es jedoch mehr als das Eigenleben von Geheimdiensten. Ein Staat im Staat setzt voraus, dass bestimmte staatliche Operationen und Zielsetzungen nicht mehr innerhalb bestehender staatlicher Strukturen durchsetzbar sind, dass rechtswidrige, staatsterroristische Handlungen nicht mehr durch entsprechende Gesetzesänderungen ›legalisiert‹ werden können.

Alles, was man bisher zum NSU-VS-MAD-Komplex weiß, indiziert etwas anderes: Es gab in den dreizehn Jahren NSU keinen politischen Dissens zwischen den Regierungsparteien und regierungswilligen Oppositionsparteien. Niemand forderte eine Kehrtwende (bei den Ermittlungen), niemand forderte dazu auf, einen anderen Weg (in Hinsicht auf den staatlichen Begleitschutz des Neonazismus) einzuschlagen.

Der ›Konsens der Demokraten‹ war in all den Jahren nicht gefährdet. CDU-CSU-SPD-FDP-GRÜNE agierten unter den gleichen Vorgaben, unter denselben Prämissen. Bei der Abschiebung der neonazistischen Mordserie ins ausländische kriminelle Milieu stand der parteiübergreifende Konsens an oberster Stelle.

Wer diese Belege und Argumente für glaubwürdig hält, wird nicht länger nach einer verborgenen Schaltzentrale suchen, nach einem Staat im Staat. Mit diesem Wissen würden wir vielmehr mitten im realexistierenden Staat ankommen. Anders gesagt: Was bedacht und oftmals unbedacht ins Geheimnisvolle und Obskure abgeschoben wird, was oftmals und vielsagend als Spitze des Eisberges entlarvt wird, ist hier in Deutschland der Staat selbst.

Eine Sternstunde der parlamentarischen Opposition, der Partei Die Linke?

Eigentlich böte der NSU-VS-MAD-IM-Komplex der Partei Die Linke die Chance, sich als Oppositionspartei, als wirkliche Opposition zum ›Konsens der Demokraten‹ zu profilieren. Ihre Abgeordneten sitzen in den parlamentarischen Untersuchungsausschüssen, sie sind in parlamentarischen Kontrollgremien vertreten, sie haben Kenntnis von Dingen, die in nichtöffentlichen Sitzungen ans Licht gekommen sind. Warum initiieren sie nicht eine eigenständige, unabhängige Aufklärung? Warum greifen sie nicht den Vorschlag auf, ein Russel-Tribunal einzurichten? Warum ergreifen sie nicht die Chance, all das an die Öffentlichkeit zu bringen, was in dem NSU-Prozess in München von vorneherein ausgeschlossen wurde? Warum unterstützen sie nicht eine Strafanzeige gegen die jeweiligen Innenminister, die zwischen 2000 und 2007 im Amt waren, wegen Unterstützung einer terroristischen Vereinigung bzw. Beihilfe zu Mord?

Programmatisch kann man dieses kritische Mittun nicht verstehen. Erklärbar ist es nur damit, dass man koalitionsfähig bleiben möchte. Auch die Partei DIE LINKE weiß: Wer den besagten ›Common Sense‹, die Staatsraison nicht mitträgt, wird nicht zu Sondierungs- und Koalitionsgesprächen eingeladen, sondern abgestraft – vom Konsens der Demokraten.

Wolf Wetzel

Autor des Buches: Der NSU-VS-Komplex. Wo beginnt der Nationalsozialistische Untergrund – wo hört der Staat auf?, Unrast Verlag 2013, 2. Auflage

Blog-Seite des Autors: www.wolfwetzel.wordpress.com

Buchtipp in Sachen NSU und Verfassungsschutz

Uwe Mundlos, einer von vermeintlich “nur” drei Mitgliedern des engsten Kreises des sog. NSU, wurde im Zeitraum 1994-1995 während seines Wehrdienstes, vom MAD (Amt für Militärischen Abschirmdienst) angesprochen, ob er nicht als V-Mann tätig sein möchte. Trotz oder eben gerade wegen seiner extrem nationalistischen Gesinnung, die er dem Vernehmen nach nicht im Geringsten verbarg, mag jeder Leser für sich beurteilen.  Mundlos – so die Überlieferung – verneinte, der MAD schloss die Akte und verschickte Kopien des Gesprächsprotokolls an verschiedene Verfassungsschutzämter sowie an das Bundesamt für Verfassungsschutz.

Dennoch behauptete das Amt im Nachgang zum Tod “der beiden Uwes” bis zum September 2012, es habe keinen Kontakt zu Mundlos gehabt und dementsprechend auch keine Unterlagen geführt, die zur Aufklärung der NSU-Morde beitragen könnten. Später sagte Thomas de Maiziere, sein Ministerium habe in dieser Angelegenheit “unsensibel” gehandelt, ansonsten sei dem Verteidigungsministerium aber nichts vorzuwerfen. Nicht nur der MAD, sondern auch die anderen Empfänger aus dem Jahr 1995 versuchten diese Akte gegenüber diversen Untersuchungsausschüssen zu unterschlagen.

Als eines von mehreren weiteren Beispielen, dass sowohl die Polizei als auch die Geheimdienste die “untergetauchten” rechtsextremen Terroristen und ihre Unterstützer alles andere als aus den Augen verloren hatten, erinnert Buchautor Wolf Wetzel in seinem absolut lesenswerten Buch “Der NSU-VS-Komplex” an jenen Geheimdienst-Referatsleiter, der angeblich in eigener Regie wenige Tage nach dem Auffliegen des NSU sechs Dossiers mit Abhörprotokollen in rechtsradikalen Gruppen geschreddet hat. Die im Unrast-Verlag erschienene Publikation arbeitet bei ihren plausiblen Fragen zur (Mit-)schuld des Verfassungsschutzes an u.a. neun Morden an Migranten seit 2001 mit Verweis auf die Geschichte von GLADIO, bietet also auch Hintergründe zu den während des kalten Krieges europaweit geheim operierenden rechtsextrem geprägten Armeen, die mit Terroranschlägen im Auftrag westlicher Geheimdienste letztlich wohl primär die Bevölkerungen einschüchtern sollte. Gleichzeitig stellten die Regierenden diese Anschläge perfiderweise als Taten linker Gruppen dar, um deren Bewegung zu diskreditieren.

Nimmt man die nach der u.E. fraglos gezielten Aktenvernichtung offiziell übrig gebliebenen Informationen oder verschiedenste, teils widersprüchliche Aussagen beteiligter Beamten zum gleichen Tathergang, so drängt sich – und somit eben auch beim Lesen von Wetzels Ausführungen – der starke Verdacht auf, dass gewisse Staatsorgane die drei, vier (Stichwort das kaum mehr von den Mainstreammedien beachtetes Bekennervideo mit vier “Paulchen Panther Köpfen) oder wer weiß wieviele “originäre” NSU-Leute jahrelang gewähren ließ.

Für den ehemaligen “L.U.P.U.S.- Gruppe”-Autor (bekannt und wie es der Mainstream wohl formulieren würde “umstritten” u.a. durch Anti-Golfkriegskampagnen sowie einer Bundestagsblockade gegen die Abschaffung des Asylrechts) liegt ein wesentliches Motiv dieser Mordserie darin, dass staatliche Behörden die Möglichkeit hatten, die ermordeten Kleinhändler der organisierten Kriminalität im ausländischen Milieu zuzuschreiben: “Die Instrumentalisierung dieser Mordserie als Beweis für die sicherheitspolitische Leitlinie, dass hier unauffällig lebende Ausländer Deutschland zum Schauplatz der kriminellen Machenschaften machen, was mit der Bezeichnung ‘Döner-Morde’ und der Namensgebung für die eingesetzte Sonderkommission ‘Bosporus’ mehr als deutlich unterstrichen werden sollte.”

Wetzel erinnert wichtigerweise auch gezielt daran, wie in Deutschland rechte Gewalt nach der Wiedervereinigung hochkam, an Übergriffe auf Asylbewerberunterkünfte, daran, dass die Polizei nicht selten tatenlos zusah und wie danach schließlich von Medien und Politik nicht wenigstens eine Debatte über Rassismus in der Mitte unserer Gesellschaft begonnen wurde, sondern zur de-facto-Abschaffung des Asylrechtes geschritten wurde – was wiederum sicher nicht wenige Neonazis als Rückenstärkung für ihr ausländerfeindliches Handeln verstanden haben…

Im Zentrum des Buchs steht aber ganz klar der Verfassungsschutz: während in den 1970er und 80er Jahren nur wenige Stimmen eine Abschaffung forderten, 1990 fast nur mehr das “Komitee für Grundrechte” für ein “Entledigen” dieser Organe plädierte (“Wie die nahezu 40jährige Geschichte der “Ämter der Verfassungsschutz” zeigte, sind verdeckt operierende Nachrichtendienste auch im Rechtsstaat weder rechtlich begrenzbar noch parlamentarisch kontrollierbar. Ihre Rechtsbrüche und Skandale sind systembedingt. Politische Geheimdienste zur Überwachung der Bevölkerung in einer Demokratie, auf Grundrechtschutz und Rechtsstaatlichkeit verpflichteren Verfassungsordnung machen nicht nur Fehler – sie sind der Fehler”) werden nun gut 20 Jahre später kritische Stimmen wieder lauter. Doch nach Wetzel sollte man genau hinhören, wer was fordert, es gebe nicht wenige, die eine “Reorganisation” im Schilde führen, die eine noch engere Bindung von Polizei und Geheimdienst bedeute.

Dabei gebe es ohnedies bereits beängstigende Verzahnungen: seit 2004 das Gemeinsame Terrorismus-Abwehrzentrum GTAZ; seit 2007 eine gemeinsame “Antiterrordatei”; neu geschaffen wurden das Gemeinsame Abwehrzentrum gegen Rechtsextremismus GAP und das das Gemeinsame Extremismuszentrum GETZ.

Abschließend erinnert Wetzel klar, dass sich absehbar keine der Parteien ernsthaft mit diesem Thema beschäftigen wird, und so ruft er auf, mit kleinen praktischen Schritten dem Ziel Stück für Stück näher zu kommen. Zum Beispiel indem man Spitzel gezielt outet und sie in einer bundesweiten Datei über aufgeflogene V-Leute erfasst, was Nachrichtendiensten erschweren könnte, neue anzuwerben und alte zu halten.

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