nsu-prozess: ungereimtheiten und ungeheuerlichkeiten ohne ende

angeklagterund ein monat lang ist nun verhandlungspause. folgende zehn themenskizzen die sich uns in den ersten prozesswochen aufgedrängt haben, werden wir ab september weiter im auge haben:

1. angebliche zufälle, die nebenbei im prozess zur sprache kamen, über die aber kaum ein journalist sprach bzw. nach einer uns nicht genügenden erklärung der bundesanwaltschaft wie auf kommando überhaupt niemand mehr spricht? ein mobilfunknummereintrag beim mitangeklagten carsten schultze der formal zunächst auf tino brandt –  eine gespenstische größe in der rechten szene thüringens und zeitweise v-mann des verfassungsschutzes – deuten konnte: namentlich geht es um einen handykontakt der laut BKA-ermittlungsunterlagen aber ausgerechnet einem nürnberger blumenhändler (frank halbig) gehöre. und das eben nicht erst, wie bundesanwalt diemer – einen tag nachdem der besonders engagierte und kompetente nebenklageanwalt yavuz selim narin das thema anbrachte – behauptete, seit april 2008, sondern bereits seit august 2000. und damit ca. 4 wochen vor dem ersten mord…

sollten zwei kriminalkommisare der staatsschutz “zentralstelle rechts” im jahr 2012 diesbezüglich tatsächlich einem info-fehler der telekom aufgesessen sein, als sie einen sechs seiten starken aktenvermerk fertigten?

2. kleinere fragezeichen die sich aus nebensätzen in zeugenaussagen ergeben, z.b. im mordfall şimşek: hier sagte die polizei dem vernehmen nach einem beunruhigten bürger am telefon, daß alles in ordnung sei:  irgendwo auf der grünen wiese, von der jener mann die behörde alarmieren wollte. ganz so, als ob von der umgebung von simseks blumenstand in der polizeifunkstelle sekundengleich sat-überwachungsdaten vorlagen. abgesehen davon, dass das gegenteil der fall war – der mordanschlag war bereits geschehen, der bereits nahezu tote mann aber vermeintlich noch unentdeckt!

konkret: andreas heuler, ein rettungsassistent, der am 9. september 2000 in nürnberg an dem mobilen blumenstand als potentieller kunde vorbeikam, wunderte sich, dass dieser anscheinend über einen längeren zeitraum unbesetzt war. er kontaktete die polizei. dass man den heute 39-jährigen seitens der behörden gleich zu beruhigen suchte, indem ihm ein beamter bei jenem anruf mitgeteilt haben soll, dass streifenkollegen den blumenhändler noch vor rund einer halben stunde gesehen hätten, kommt zumindest uns “spanisch” vor. warum lag in der zentrale eine solche info vor, wenn für die polizei bis dato am tatsächlich bereits zum tatort gewordenen verkaufsstand alles “normal” schien?

3. die geschichte mit kılıç schwiegermutter. bezeichnenderweise wurde folgender komplex auch bei der webseite “nsu-watch” ausgeklammert, obwohl diese so tut, als ob sie wirkliche protokolle der verhandlungstage böte und sich berechtigterweise einmischen und aufklären auf die fahnen geschrieben habe, was wir indes nicht nachvollziehen können: fakt ist, die schwiegermutter des vierten mordopfers berichtete vor dem OLG in münchen unlängst, dass ihr seinerzeit auf einer polizeiwache – auf die sie mittels anruf eines bekannten beordert worden war – erst nach dreieinhalbstündiger vernehmung vom tod ihres schwiegersohnes berichtet worden sei. in der zeit davor habe man sie ausgefragt und wie eine verdächtige behandelt. und als ob das nicht schon – erst recht am tattag – fragwürdig genug gewesen wäre (auch die offiziellen akten lassen den schluss zu, dass hier eine frau fast in den wahnsinn getrieben wurde) schwor die zeugin vor gericht nun sprichwörtlich stein und bein, dass sie bereits am frühen vormittag – kurz nach 9 uhr – des 29.08.2001 auf der wache saß. unter anderem um fragen a la „Wie haben sie sich mit ihrem Schwiegersohn verstanden?” zu beantworten. und das eben obgleich der mord - nach allem was man weiß -, erst nach 10 uhr 30 begangen sein konnte…

4. bereits sehr früh haben staatliche stellen aufgrund der wiederkehrenden tatwaffe (pistole des typs Česká CZ83) zu den morden an acht türkischen und einem griechischen unternehmer offiziell eine serie auf dem schirm gehabt. und obwohl spätestens 2004 bekannt war, dass an mehreren tatorten von teils unterschiedlichsten zeugen unter anderem jeweils recht auffällig agierende radfahrer gesichtet worden waren, habe man diese eher als potentielle zeugen denn als mögliche mörder betrachtet. heute sei man schlauer, wisse, dass dies mundlos und bönhardt waren, so mordermittler josef wilfling im prozess…

mal ganz abgesehen davon, dass er und andere deutsche beamte die täter ja lieber in den familien der opfer oder in ihrem türkischen umfeld suchten: warum war bei den fahndungsaufrufen explizit ein hinweis auf eigensicherung – ein aufruf über geeignete vorbeugende maßnahmen gefahren für leib oder leben abzuwenden – an die polizeikollegen ausgegeben worden?!

5.- götzls unsägliche vernehmung der witwe kılıç und seinen zumindest leichtfertigen umgang mit der thematik nagelbombenanschlag in der kölner keupstrasse haben wir ja bereits thematisiert: eine weitere ungeheuerlichkeit dieses richters liegt in seinem wiederholt beleidigenden verhalten gegen diverse nebenklägervertreter – allen voran sein anschreien und größenwahnsinnig anmutendes abkanzeln von anwalt adnan menderes erdal, der aufgrund öffentlichen drucks bereits vor wochen genötigt worden war, seinen durchaus verständlichen antrag auf entfernung des kreuzes aus dem gerichtssaal zurückzuziehen.

auffallend: götzl tickt vor allem immer dann aus und unterbricht willkürlich anmutend gar die verhandlung – womit er de facto einen nebenklageanwalt seines fragerechts beraubt – wenn erdal unbequeme fragen einleitet und dabei etwa an die neonazi-verbrechen von solingen und mölln (denen acht menschen türkischer abstammung zum opfer fielen) erinnert. oder den irrsinn benennt, dass sich noch heutzutage manche deutsche als herrenmenschen betrachten. oder einem kriminalhauptkommissar namens albrecht vögeler (der insb. in den mordfällen enver simsek und abdurrahim özüdogru intensivst im umfeld der opfer, aber nicht in fremdenfeindlichen kreisen nach den tätern gesucht hatte) die mehr als berechtigte frage stellt, welche hinweise der beamte denn (noch) gebraucht hätte, um einen rechtsradikalen hintergrund zumindest in erwägung zu ziehen, wo es doch ebreits mehrere ausländische opfer gab…

6. den fall temme, ungereimtheiten mit vier panther-köpfen im sog. bekennervideo sowie das märchen von der unauffindbarkeit des trios haben wir auch bereits kurz angeschnitten – dennoch wird, um bei letzterem beispiel zu bleiben, bis heute im mainstream die betreffende zeugeneinvernahme des mitangeklagten carsten s. weitgehend ausgeklammert. und das obgleich diese nahelegt, dass der verfassungsschutz spätestens durch seinen informanten tino brandt bereits um das jahr 2000 herum wissen musste, wo mundlos, böhnhardt und zschäpe zwischenzeitlich abgeblieben waren.

in einer späteren geschichte werden wir alle offenen fragen zusammenfassen, die die bundesanwaltschaft wohl am liebsten aus dem prozess heraushalten möchte und die die nebenklagevertreter (und vielleicht auch mancher verteidiger) hoffentlich erfolgreich, also allen widerständen zum trotz ab september thematisieren können: u.a. auch fragen rund um den kriminalbeamten, der vor einem untersuchungsausschuss vor wochen bekundete dienstlicherseits schon 2007 vom “NSU” gehört zu haben und seither offenkundig unter staatlichen repressionen leben muss. oder den “dritten mann”, den zeugen auf der flucht aus dem brennenden wohnmobil in der nähe von eisenach gesehen haben wollen – als sich mundlos und böhnhardt obgleich dem vernehmen nach schwer bewaffnet und bereits eine polizistin auf dem kerbholz selbst erschossen haben sollen, als sich ihnen zwei polizisten genähert haben…

7. die geisteshaltung von in münchen vernommenen polizeibeamten spottet teilweise jeder beschreibung. selbst wenn jene beamte auf der anklagebank säßen und sie sozusagen anschaulich erklären müssten, warum sie so vehement organisierte kriminalität, familienfehden, drogengeschäfte etc. pp. vermuteten bzw. primär als spuren untersuchten, wäre es unerträglich ihren offenkundig bis heute verfestigten rassistischen klischees und arroganten tatortbeschreibungen zu lauschen.

wir werden untersuchen, wie die deutschen mainstreammedien, die ja jahrelang das – selbst wenn man milieumorde in betracht hätte ziehen können – unsägliche wort “dönermorde” gebrauchten, damit entweder gar nicht oder zu lax ins “gericht” gehen.

8. meinungsmache der medienkollegen. schon am ersten prozesstag ging es los. zschäpes anwälte würden mit “sinnlosen” anträgen das verfahren verschleppen. dabei hatte schon damals vieles was heer, stahl und sturm von sich gaben, mehr als hand und fuss. oder was halten sie z.b. davon, wenn ein richter eine sicherheitsverfügung erlässt, dass – verständlicherweise – strengstens am einlass des gerichts kontrolliert werden soll, weil ja (zum beispiel) auch zschäpes verteidigern ohne deren zutun etwas verbotenes zugesteckt werden könnte oder sie, wie jeder mensch, theoretisch erpressbar wären. dass götzls “gesetze” aber nicht für ihn selbst, nicht für bundesanwälte, ja noch nicht einmal für sonstige justizbedienstete gelten sollte, war mit das erste, was heer, stahl und sturm bemängelten. zu recht!

da man insb. seitens des boulevards zwischenzeitlich erkannt hat, dass man das verteidigertrio mit seiner arbeit nicht direkt diskreditieren kann, versuchte man dieser tage eine neiddebatte anzuzetteln. weil diese doch tatsächlich in einem münchner nobelhotel nächtigen würden. dass dies aus sicht der staatskasse egal ist, keineswegs der steuerzahler für vermeintlichen luxus aufkommt, fällt da bei den kollegen natürlich gerne unter den tisch. es gibt nämlich höchstsätze, die die anwälte abrechnen dürfen. für differenzbeträge kommen sie selber auf.

wir möchten anhand einer umfassenden medienschau untersuchen, wie deutsche zeitungen systematisch stimmung gegen prozessbeteiligte machen. nicht nur gegen heer, stahl und sturm sondern u.a. auch gegen die nebenklägervertreter. und wir möchten untersuchen, welche kollegen – zumindest teilweise – götzls fehlverhalten gezielt unter den tisch kehren.

9. BKAler vergessen vor lauter freude am plauschen mit beschuldigten, die die aussage eigentlich verweigern wollten, das nachfragen bei verdächtigen, die rede und antwort stehen wollten. während man von zschäpe wohl mit unlauteren tricks außerhalb offizieller vernehmungssituationen ( noch dazu in abwesenheit ihrer anwälte) versuchte, das eine oder andere zu entlocken, wurde bei holger g. offenkundig nachlässig und unprofessionell ermittelt.

eigentlich unerklärlicherweise haben die polizeibeamten gleich in mehreren vernehmungen dieses mitangeklagten (der das trio unter anderem mit ausweisdokumenten unterstützt haben soll, die unter anderem zur anmietung auch des letztes wohnmobils verwendet wurden) sich schnell mit dessen aussagen zufrieden gegeben, auf nachfragen verzichtet. selbst zum thema kronzeugenregelung fehlen klar nachvollziehbare abläufe…

10. ungereimtheiten rund um zeugenaussagen zum “trio” bzw. den “beiden uwes”, insb. auch zum brandherd frühlingsstrasse. mal ab davon, dass regelmäßigen prozessbesuchern auffällige formulierungsähnlichkeiten in diversen zeugenaussagen - etwa von fahrrädern, die nicht aus baumärkten stammen konnten – in den ohren klingen müssten und zu allen prozesskomplexen teils eklatante widersprüche zwischen den aussagen vor gericht und dem, was bei früheren vernehmungen durch polizei und co. auf welcher grundlage auch immer niedergeschrieben wurde, auftauchen: seit der zeugeneinvernahme der handwerker von zwickau steht der verdacht im raum, dass nicht nur die mutmaßliche brandlegerin zschäpe wusste, dass in der zwickauer frühlingsstrasse seinerzeit bald eine explosion von statten geht.

ganz abgesehen davon, dass wir uns wundern, dass sich die bundesanwaltschaft – die zu prozessbeginn ihren pr-beauftragten bei presse und zuschauern stimmung gegen ton- und selbst getippte offizielle protokolle zu diesem für viele längst ziemlich unüberschaubar gewordenen prozess machen ließ – nicht auf die zehn mordfälle und die schwerverletzten von köln konzentriert: uns ist es etwas unverständlich, wieso hier nicht nur ein sondern sogar gleich drei mordversuche konstruiert werden, obgleich de facto zum brandzeitpunkt nur eine nachbarin (die glücklicherweise absolut unverletzt blieb) und eben nicht drei personen in der doppelhaushälfte weilte(n).

besagte handwerker waren – bei knarzenden treppen dürfte(n) das der oder die brandleger mitbekommen haben – bereits außer haus. ohnedies kann man hier wohl nicht von einem zielgerichteten tötungswillen ausgehen, sondern schlimmstenfalls unterstellen, dass der oder die täter ggf. den tod eines nachbarn beim unterstellten versuch spuren zu verwischen billigend in kauf genommen hätten. was fraglos schlimm genug, aber eben kein vorsätzlicher mord wäre. ganz anders als insb. die zehn hinrichtungen, die unseres erachtens neben dem komplex keupstrasse im mittelpunkt des verfahrens stehen müssten.

wir möchten fast wetten, dass sie bei den vorstehenden themenskizzen wenigstens drei anmerkungen entdecken konnten, die sie bisher an noch keiner anderen stelle vernommen haben? der medienmainstream blendet im nsu-verfahren unserer beobachtung nach nämlich eine menge aus. daher bitten wir sie um ihre unterstützung. damit wir den prozess auch ab september weiter kritisch begleiten können*.

* wir danken Ihnen für jeden einzelnen motivierenden euro auf “konto nr.: 5408979333 – BLZ: 50010517″ – bitte geben sie als verwedungszweck “das zob / nsu-prozess” und eine kontaktmöglichkeit (etwa ihre e-mail-adresse, die wir natürlich nur für ein pers. dankeschönschreiben verwenden möchten) an. wir können bis auf weiteres leider keine spendenquittungen ausstellen, versteuern aber garantiert brav – zu FA- und sonstigen rechtlichen angaben schauen sie bitte in unser impressum: http://das-zob.de/?page_id=37

die zweite woche im nsu-prozess: trotz ungeheuerlichkeiten von götzl und diemer – keiner geht mit ihnen ins gericht

soweit wir das nach zwei tagen eingehender betrachtung zahlloser print- und tv-beiträge namhafter, vermeintlich reichenweitenstarker deutscher medien (insb. solcher, die wie wir mit festem presseplatz in münchen offiziell immer live dabei sein dürfen beim prozessgeschehen) vorläufig überblicken können: kein bekannteres organ thematisiert ernsthaft, geschweige denn umfassend oder gar explizit kritisch kommentierend, wie richter manfred “und ich habe die sitzungsgewalt!” götzl den durch das kölner nagelbombenattentat 2004 verletzten und traumatisierten menschen jedweden respekt verweigerte. ja mehr noch, es wird teilweise quasi systematisch unterschlagen, dass der “vorsitzende” aktiv auslotete, wie weit der deutsche staat diese und jene opfer ein zweites mal drangsalieren kann. und dann ist da noch die propaganda-maschinerie von bundesanwalt diemer.

wer bisher glaubte, dass sich richter- und bundesanwaltschaft zumindest bis auf weiteres mit der ungeheuerlichkeit begnügen, penetrant so zu tun, als ob verbürgt sei, dass der kern des sog. nsu “nur” aus drei tätern bestand und – noch aberwitziger – es keinerlei anzeichen für eine staatliche verstrickung in deren schreckliche verbrechensserie gäbe (dabei ist selbst wenn man die gezielte schredderei von aktenbergen “hier und da” außen vorlässt, insb. allein der fall andreas temme bei nüchterner betrachtung nicht von der hand zu weisen), sah sich getäuscht: schlimmer als unsensibel einzustufen agierte götzl in der zweiten prozesswoche zum thema kölner keupstraße. er regte nämlich an, diese niederträchtige tat, bei der es u.a. 22 teils schwer verletzte zu beklagen gab, vom hauptverfahren abzutrennen.

fast schien götzls vorschlag an alle verfahrensbeteiligten sich mit dieser idee anzufreunden eine trotzreaktionen: a) hatte einer der nebenklägeranwälte das gericht kritisch hinterfragt, wieso rund 70 weitere personen (die vor dem hintergrund des nagelbombenattentats offensichtlich zumindest theoretisch als nebenkläger in betracht kommen) vom deutschen staat selbst nach mehr als acht jahren offenkundig noch nicht mal auf ihre möglichen rechte hingewiesen worden seien und b) die zschäpe-verteidigung ritt bei einem ihrer zur abwechslung eher banaleren anträge darauf herum, dass der gewählte gerichtssaal dann endgültig nicht mehr tragfähig wäre. statt (wie zumindest wir es von einem wirklich neutralen und wirklich um weitestmögliche aufklärung bemühten richter erwarten würden!) entweder a) abzuwarten, wieviele nebenkläger bzw. nebenklägervertreter in den nächsten tagen und wochen tatsächlich hinzustossen oder b) in dem fall, wo ruchbar wurde, dass in köln aktuell vermeintlich irgendwelche bisher verfahrensunbeteiligten anwälte auf kundenfang ohne substantiellen hintergrund sind, notfalls die jeweilige “berechtigung” zur prozessteilnahme im einzelfall kritisch zu hinterfragen, startete götzl also den perfiden versuch, die verletzten und traumatisierten menschen aus der keupstraße sprichwörtlich auszubooten.

kölner opfer fast zu opfern zweiter klasse degradiert

denn ganz abgesehen davon, dass wenn man das nagelbombenattentat beim aktuellen prozess inhaltlich ausklammert, viele hintergründe der sog. nsu-taten noch schwerer zu erhellen sein dürften: jedem ansatzweise ehrlich bzw. realistisch denkenden menschen muss klar sein, daß zschäpe nicht zwei mal angeklagt wird. sprich, wenn sie wegen der ihr angelasteten gravierenden rolle bei den zehn morden (wie gemeinhin erwartet) zu lebenslanger haftstrafe und anschließender sicherheitsverwahrung verurteilt wird, stellt sie hierzulande niemand mehr ein zweites mal vor gericht. ein strafmaß für u.a. 22 teils schwer verletzte bzw. mind. 31 versuchte mordtaten aus der keupstraße wird niemand mehr abhandeln. dieses kapitel wäre – was für viele betroffene allein schon unerträglich sein dürfte – somit nicht aufgeschoben. diesen zweiten prozess würde es nach menschlichem ermessen niemals geben. die kölner opfer wären zu opfern zweiter klasse degradiert. und weite teile der mainstreampresse, die über jahre perverserweise sogar ohne folgenhafte presseratsrügen von “dönermorden” fabulieren durfte*, lassen das teilweise wieder ganz unter den tisch fallen.

in manchen fällen werden insbesondere schnellleser gar gezielt desinformiert. so entblödete sich etwa die süddeutsche zeitung nicht (die schon in der auch aus nebenklägersicht eben von götzl sehr wohl sinnfrei, zumindest unnötig lang unterbrochenen verhandlung letzte woche steigbügelhalterte “Die Vertagung des Prozesses ist normal ” sowie ” Doch die Verschiebung ist gerechtfertigt.”), im nachbericht der ereignisse in folge der von götzl angeordneten bedenkpause zu dem einzig von götzl explizit ins spiel gebrachten “abtrennungs”-gedankengangs tatsächlich “Gericht lehnt zweiten NSU-Prozess ab” als überschrift vor einen teaser zu setzen. und jener artikelvorspann bietet seinerseits zumindest implizit ebenfalls falsche schlüsse an: “Der Komplex um den Anschlag in der Kölner Keupstraße wird nicht von den NSU-Morden abgetrennt – vorerst jedenfalls. Das verkündet Richter Manfred Götzl nach der Mittagspause. Schlag auf Schlag werden auch die Entscheidungen zu mehreren anderen Anträgen von Verteidigung und Nebenklage bekannt gegeben”.

das steht wirklich so in der SZ, die sich im fall gustl mollath vor monaten wenigstens wieder als tendenziell ernstzunehmend positioniert hatte: “auch die Entscheidungen zu mehreren anderen Anträgen”; “auch” und “andere”(n) kann sich der logik nach im vorliegenden fall ja nur auf die unmittelbar zuvor benannte keupstraßen-thematik beziehen, und die überschrift mit dem hinweis auf eine ablehung, tut wohl unbestreitbar so, als sei diese infame idee von irgendwem, nur eben nicht vom gericht selbst aufgebracht worden. unseren recherchen nach symptomatisch für die deutsche presselandschaft!

spiegel sieht nebenklage generell als zumutung für das gericht

denn auch der spiegel weiß, was götzl und co. sicher gerne lesen. und so wurde teilweise auch unabhängig vom thema keupstraße stimmung gemacht, dass es überhaupt zu viele nebenklagevertreter im gerichtssaal gibt. es wurde also implizit auch gegen die verfahrensbeteiligung sogar der hinterbliebenen der mordopfer gehetzt: “Gewiss, das Verfahren ist eigentlich eine Zumutung für ein Gericht. Hätte es der Vorsitzende auf der Seite der Ankläger nur mit den vier Vertretern der Bundesanwaltschaft zu tun (und nicht mit mehr als 60 Nebenklageanwälten obendrein) sowie mit elf Verteidigern von fünf Angeklagten – es wäre zumutbar. Aber so?” im kontext des nagelbombenattentats legte das hamburger “nachrichtenmagazin” natürlich nach: “Noch mehr Nebenkläger? Und vor allem noch mehr Anwälte, nachdem schon nach letztem Stand mehr als 60 das Parterre des Münchner Gerichtssaals füllen? Das wäre eine schöne Arbeitsbeschaffungsmaßnahme für nicht ausgelastete Rechtsanwälte.”

natürlich verschwendet der spiegel wie viele andere dabei keine silbe, dass es seitens deutscher behörden sogar auch nach der vermeintlichen selbstenttarnung des sog. nsu speziell im umfeld der kölner keupstraße zu offenkundig antimuslimisch intendierten mordversuchen zu keinerlei aktiver unterrichtung potentieller nebenkläger kam. unabhängig davon, ob irgendein gesetzestext den staatlichen vertretern freiwillig oder hingebogen zu ihrer untätigkeit beipflichtet: ein minimalmaß an menschlichkeit und anstand wäre nach all den vorgeblichen “pannen” doch wohl allein schon aus schlechtem gewissen heraus angezeigt gewesen, oder?

vor dem hintergrund der leider nicht nur bei sz und spiegel extrem und explizit gerichtsfreundlichen berichterstattung, kann es letztlich auch nicht mehr verwundern, dass die zahlreichen nebenklägervertreter, die sich bei der aussprache beherzt und mit zahllosen sachargumenten gegen eine abtrennung stemmten (weniger emotional wurde götzls “gedankengang” im übrigen sogar von der bundesanwaltschaft und auch von zschäpes verteidigung abgelehnt!) in der masse der deutschen medien mit detailkritik kaum vorkommen. teilweise nicht einmal sumerisch. daher zitieren wir nachfolgend exemplarisch einen der nebenklägervertreter, ehe wir uns im weiteren für heute abschließend noch kurz bundesanwalt diemer und seinem sprachrohr widmen.

 o-ton nebenklage-vetreter rechtsanwalt alexander hoffmann: “ Wir müssen ehrlich zu uns sein und Sie [adressiert an götzl] ehrlich zu den Opfern der Keupstraße. Es ist völlig klar: wenn jetzt abgetrennt wird, dann wird das abgetrennte Verfahren in München allenfalls nach Abschluss dieses Verfahrens in München durchgeführt werden. Wenn die Angeklagten hier erst einmal verurteilt sind wegen mehrfachen Mordes, das ist ganz klar und das müssen Sie den Opfern direkt sagen, dann wird das Verfahren eingestellt in Hinblick auf die bereits erfolgte Verurteilung. Dann fallen, ich trau mich das gar nicht das zu sagen, 31 versuchte Mordtaten nicht weiter ins Gewicht. Das kann nicht sein. Meine Mandantin hat bis zum Herbst 2011 eine Situation erlebt, dass jeder den Nachbarn verdächtigt hat, weil Schily gesagt hat, das war kein rechter Anschlag. Die Verdächtigen sind unter den Bewohnern gesucht worden, bis ein Bekennerschreiben in Videoform auftauchte. Man hat sie nicht ernst genommen. Man hat sie im Stich gelassen. Wenn wir jetzt sagen, wir trennen ab, weil dieser Teil Schwierigkeiten macht, dann wiederholt man das, man sagt dann, für Euch gibt es keine Gerechtigkeit, ihr doch Bürger zweiter Klasse. Damit verhilft man dem NSU im Nachhinein zu einem Erfolg. Die Taten, siehe field manuals der terroristischen Gruppen, zielten darauf, eine Spaltung in die Gesellschaft zu bringen. (…) Wenn man jetzt den Anschlag, der nicht von ungefähr an den Oktoberfestanschlag erinnert, herausnimmt und zur Einstellung frei gibt, nimmt man den Tatopfern wieder die Möglichkeit, als Teil dieser Verhandlung aufzutreten.

 (…) Der Bombenanschlag Keupstraße 2004 liegt im Zentrum der Aktivitäten des so genannten NSU. Er ist ein eindeutiges Bekenntnis zum rassistisch motivierten Massenmord, zum Krieg gegen Migranten. (…) In dem Moment wo eine Bombe gezündet wird für ein Maximum an Toten muss jedem in der Gruppe klar gewesen sein, dass es hier um Mord, Mord, Mord geht. Es müssen erhebliche Vorbereitungshandlungen zum Bau dieser Bombe gemacht worden sein. (…) Wenn das Gericht das jetzt ohne Not macht, ist das ein Zeichen an alle Nebenkläger – nicht nur aus der Keupstraße – dass es ab jetzt gegen sie verhandelt. Das Gericht muss sich jetzt entscheiden, ob es das Verfahren ab jetzt gegen die Opfer dieses Anschlags führen will.“

 geheimdienst-verstrickungen? wenn diemer nein sagt, ist nein! 

liebe leser, wann haben sie zuletzt in irgendeinem mainstreammedium vom mehr als ominösen fall temme gehört oder gelesen. also von jenem festen und sicher bis heute nicht allzu schlecht bezahlten verfassungsschutzmitarbeiter (nicht etwa “nur” v-mann), der in kassel unmittelbar am tatort war, als halit yozgat ermordet wurde? aber das ist bestimmt ebenso wie das aussparen der systematischen aktenschreddereien oder das nicht hinzuziehen diverser ergebenisse parlamentarischer untersuchungsausschüsse zu den offiziellen prozessakten nicht wichtig für ein verfahren. es gilt – so die offizielle sprachregelung – “nur” herauszufinden, wer von den fünf offiziell angeklagten in münchen welche schuld auf sich geladen hat. denn bundesanwalt herbert diemer weist wie schon im vorfeld des so genannten “jahrhundertprozesses” auch im gerichtssaal selbst gefühlt im schnitt alle drei stunden jedwede spekulationen über geheimdienst-verstrickungen entschieden zurück. und so berichten viele kollegen denn auch lieber über angebliche anträge der zschäpe-verteidiger zu einem “lachverbot”, wenn sie nicht gerade in breaking-news via twitter beispielsweise jammern, dass man ihnen seitens des gerichts essen und trinken im saal verbietet.

namentlich abermals der spiegel (“Diemers Stellungnahmen zu der Vielzahl von Anträgen, die zu Beginn eines Verfahrens anzubringen sind, schufen zunächst Klarheit im Gewirr der unterschiedlichen Auffassungen und Wunschvorstellungen.”) versteckt die bloße erwähnung (sic!) der “Affäre mit der Aktenschredderei” unserer wahrnehmung nach nicht zufällig hinter nebenkriegsschauplätzen. hinter zeilen, die lesern den eindruck der bedeutungslosigkeit bisheriger prozesstage vermitteln. beispielsweise hinter jener auf faktische unverschämtheiten götzls auf kosten der zschäpe-verteidigung beruhenden “lach- und sachgeschichte”.

und die SZ, die offenkundig auch noch nicht so dermaßen abgebrüht agiert, die frage geheimdienst gänzlich unerwähnt zu lassen, zitiert dazu aber neben diemers plump zurechtgebogen wirkendem mantra nicht etwa eine gegenrede, sondern einzig SPDler sebastian edathy, den vorsitzenden des NSU-untersuchungsausschusses im bundestag. dieser habe “Anfang dieser Woche von einem ‘beispiellosen Versagen’ der Sicherheitsbehörden gesprochen, jedoch ebenfalls betont, es gebe keine Hinweise darauf, dass staatliche Stellen den NSU gedeckt oder sogar unterstützt hätten.”

nebenklägervertreter finden mit fundamentaler kritik kaum gehör

vieles scheint in münchen also auch mit rückendeckung vorgeblich unabhängiger vertreter der vermeintlich vierten macht im staate nach dem motto zu laufen: weil nicht sein kann, was nicht sein darf! und so muss man auch stimmen von zahlreichen nebenklägern, die zwar anerkennen, dass das oberlandesgericht münchen den prozessstoff handhabbar gestalten muss, aber explizit der ansicht sind, “dass eine Aufklärung des Versagens der Ermittlungsbehörden und weiterer möglicher Unterstützungshandlungen des Netzwerkes um den NSU” zwingend eine (weitere) aufgabe dieses prozesses sein muss; die “Rolle der Angeklagten nicht” beleuchtet werden könne, “ohne zu ermitteln, wer, was, von wem, wann wusste und durch welche Mittel der „NSU“ zumindest mitfinanziert worden ist.” mit der lupe suchen.

machen sie sich bitte einmal selbst die mühe, allein zum umgang des staates und vieler medien zum themenkomplex 129er liste zu forschen, die bundesanwalt diemer bis donnerstag ebenfalls als absolut irrelevant deklarierte. doch als der druck seitens der verteidiger zu groß wurde, gab er sprichwörtlich klein bei und räumte in einer pressekonferenz am vergangenen donnerstag sogar ein, dass es dabei namentlich neun konkrete (weitere) fälle aus dem vermeintlich weiteren nsu-umfeld gebe, die aus heutiger sicht einen ermittlungsgrund böten. das ließ diemer aber nicht verlautbaren ohne reflexartig anzuschließen, dass sich – wenn man sich diese offizielle info (“neun”) nun also “vor Augen” halte – der anwurf der verschleierung (“129″) “immens” relativiere.

man beachte: NEUN weitere menschen stehen selbst offiziellen staatlichen angaben nach im fokus aktueller ermittlungen in sachen nsu! und u.a. ard und zdf tun in der zweiten prozesswoche durch das unerträgliche herunterleiern von behauptungen a la bisher hätte es primär “juristische Formalitäten” und “unwichtige Anträge” gegeben so, als sei allein jene liste oder eben das feiste ausklammern anderer erkenntnisse nicht relevant zur aufklärung. einer aufklärung, die staatlicherseits offenkundig aber eben nicht ansatzweise erwünscht ist. wohl weil es neben temme mutmaßlich noch einige, wenn nicht viele weitere gab, die – bei deutschen behördern fest angestellt – selbst bis kurz vor zschäpes ominösen antritt bei der polizei rege kontakte zum sog. nsu unterhielten. erinnern sie sich beispielsweise an die geschichte mit den zahlreichen telefonischen kontaktversuchen von anschlüssen des sächsischen innenministeriums?

die informelle pr-show des bgh-mitarbeiters köhler

v.l.n.r. köhler – diemer, am rande der offiziellen pressekonferenz am 4. prozesstag – foto: das_ZOB

zu dem gebahren diemers im gerichtssaal und drumherum passt leider auch ein punkt, der unseres wissens bezeichnenderweise nirgends in deutschland auch nur mit einer silbe aufgegriffen wurde, obgleich unter anderem (!) von dpa und sz über viele minuten “beobachtet”: staatsanwalt marcus köhler, der mann, der die offiziellen “presseunterrichtungen” von bundesanwalt diemer leitet und generell als pressesprecher von generalbundesanwalt range beim bundesgerichtshof wirkt, schwirrte den gesamten vormittag mit angeheftetem lichtbildausweis – und somit insb. auf viele “normalzuschauer” tendenziell als besondere “respektperson” wirkend – auf der zuschauer/pressetribüne herum. dort verkündete er vor dem eigentlichen beginn des prozesstags in auf fünf meter entfernung unüberhörbaren einzelgesprächen gegenüber pressekollegen seine einschätzung, dass doch fast alles was zschäpes verteidiger hier seit tagen böten, “bloßes geplänkel” ist.

in der mittagspause dann lief köhler gar zur “höchstform” auf, so dass sich fast geschlagene zehn minuten eine kleine traube diverser prozessbeobachtergruppen – (private) zuschauer und medienvertreter – um ihn bildete. nunmehr nicht mehr im gerichtssaal selbst, sondern in dem pausenraum mit wasserspender, brötchenverkauf und toilettenzugang, der während der sitzungspausen den menschen auf der empore offen steht. unter anderem hielt köhler ein flammendes plädoyer gegen jedwede aufzeichnung – sei es in bild und ton, und selbst auf freiwilliger basis – von zeugenaussagen vor diesem gericht. ein wunsch, der nicht nur von zschäpes anwälten und anderen verteidigern häufig angebracht wurde, sondern den auch viele nebenklägervertreter mehr oder minder offensiv äußerten. apropos vertreter der hinterbliebenen und opfer der sog. nsu-verbrechen: zu einer der anwält_innen – da waren aber die meisten pressekollegen schon außer hörweite, nur mehr zwei vermeintlich allgemein interessierte prozessbeobachter hingen noch an seinen lippen – hatte köhler u.e. gar noch despektierliches zu sagen. nämlich über frau edith lunnebach. sinngemäß zitiert: wenn es seitens der nebenklage um vorwürfe zu staatlichen fehlern in sachen nsu geht, muss man natürlich (beispielsweise bei ihr, die ja mit “linken” themen zu tun hatte) immer genau nach den “jeweiligen interessen” fragen…

angesprochen auf unsere irritation, dass sich köhler hier als erkennbarer vertreter staatlicher strukturen sogar gegenüber vermeintlich reinen zuschauern mit doch sehr nach PR riechenden bemerkungen darstellt, betonte dieser, dass er hier natürlich nur als privatperson spreche. im übrigen sei er auch durch ganz normales anstellen in den zuschauersaal gelangt, und natürlich wollte er keinesfalls auch nur irgendwie kritik an frau lunnebach äußern. da hätte er sich vielleicht unglücklich ausgedrückt – und dann hatte er es plötzlich irgendwie eilig und entschwand…

unterstellt, dass ein paar medien fernab von z.b. spiegel und sz nicht schon vor prozessbeginn auf linie waren: steter tropfen, so der offenkundige gedanke der propagandamaschinerie der staatsanwaltschaft, höhlt über kurz oder lang sicher auch noch die letzten ansatzweise kritischen vertreter. etwa nicht alles blindlings abnickende journalisten der einen oder anderen regionalzeitung, die wir erfreulicherweise die letzten tage auch wahrnehmen durften.

auch daher unser aufruf: unterstützen sie die medieninitiative “das ZOB” bitte aktiv und zeitnah durch spenden oder zumindest gezielte weiterempfehlungen an all ihre freunde und bekannten, damit das zuvörderst (aber nicht nur) bei diemer offenkundige ziel, staatliche (mit)schuld aus dem kollektiven gedächtnis entschwinden zu lassen, keine früchte trägt. die opfer und hinterbliebenen haben ein recht auf umfassende aufklärung. alle verfahrensbeteiligten haben einen verständlichen anspruch auf die uneingeschränkte einbeziehung aller verschlussakten in den offiziellen prozessablauf!

* selbst wenn sich nach den ersten zwei, drei morden noch irgendwer herausreden mochte, dass man tatsächlich beispielsweise auch einen sog. milieumord in erwägung ziehen konnte – was wir bis heute nicht mal theoretisch sehen! – war das u.e. von anbeginn an so oder so entmenschlichend!