Ein Jahr voller Ungereimtheiten oder: wo steht der NSU-Prozess wirklich

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Screenshot”ausriss” als Beleg/Zitat, dass die Nachrichtenagenturen afp/dpa, wie sie anhand ihrer öffentlichen Fotoarchive dokumentieren, alle paar Tage live erleben, wie eine bestimmte Polizistin den Büttel für Zschäpe macht.

Quizfrage: Was denken Sie, wie wird der Prozess für die Teilnehmenden und für die Nachwelt protokolliert? a) es gibt Bildaufzeichnungen; b) es gibt Tonaufzeichnungen; oder c) es wird professionell stenografiert. Die Auflösung ahnt kaum jemand. Die richtige Antwort ist nämlich nicht dabei. Der Prozess wird offiziell überhaupt nicht aufgezeichnet – nicht einmal für die Politik- oder Justiz-Wissenschaft. Dabei ist er einer der wichtigsten in Deutschland seit Jahrzehnten mit der beispiellosen Mordserie an neun Geschäftsleuten mit migrantischen Wurzeln und mindestens zwei Bombenanschlägen. Auch der Mord an einer Polizistin wird den rechtsextremistischen Tätern angelastet. Hinzu kommen noch zahlreiche Banküberfälle und eine Brandstiftung. Über fünf Angeklagte wird vom Staatsschutzsenat des Münchner Oberlandesgerichts verhandelt. Fünf Richter, vier Bundesanwälte, elf Verteidiger und knapp 60 Anwälte für rund 80 Nebenkläger beschäftigen sich mit dem National-Sozialistischen Untergrund (NSU), von deren angeblich drei Mitgliedern zwei – Uwe Böhnhardt und Uwe Mundlos – tot sind. Die Anklageschrift gegen die Hauptverdächtige – Beate Zschäpe – umfasst knapp 500 Seiten. Über 600 Zeugen hatte die Bundesanwaltschaft benannt, nicht einmal die Hälfte sind bis zur Stunde angehört worden.

Das morgendliche Prozedere an Verhandlungstagen ist immer das Gleiche: Vor dem Beginn warten Fotografen und Kameraleute auf die Angeklagte. Es werden die obligatorischen Bilder von der Seite, besser: vom Rücken der Zschäpe geschossen. Dann verlassen sie den Saal und der Prozess beginnt – in der Regel mit knapp 30 Minuten Verspätung. Während sich so viele Medienkollegen Gedanken darüber machen, warum diese Frau “Batterien von Bonbondosen” vor sich aufbauen darf, warum sie lächelt oder in den Pausen Sudoku spielt, beachtet keiner, dass beim Eintreten – im Unterschied zu anderen Polizeibeamten, die dort vertreten sind – eine ganz bestimmte Staatsbedienstete, wenn sie gerade mal Dienst hat, für Zschäpe den Büttel macht und ihr die Tasche trägt, obwohl sie doch diese Szene bereits x-fachst im Bild haben. Aber das nur nebenbei.

Die fünf Angeklagten 

Carsten Schultze: der 34-Jährige ist der einzige, der bis jetzt in freier Rede gesprochen hat und sich mehrere Tage lang umfangreich den Fragen gestellt und diese auch beantwortet hat. Er hat gestanden, Mundlos und Böhnhardt eine Pistole mit Schalldämpfer – angeblich im Auftrag von Ralf Wohlleben, dem weiteren Angeklagten – geliefert zu haben. Zschäpe soll, falls Schultze sie nicht deckt, nicht in unmittelbarer Nähe bei der Übergabe dabei gewesen sein. Bei dieser Waffe soll es sich um die Ceska handeln, mit der acht türkische und ein griechischer Unternehmer getötet wurden. Die Anklage gegen Schultze lautet auf Beihilfe zum Mord. Nach seinen Angaben hatte er sich vor Jahren von der Neonazi-Szene gelöst und war nach Düsseldorf gezogen, wo er Sozialpädagogik studierte. Er befindet sich im Zeugenschutzprogramm.

Schultze ist der einzige, der betroffen wirkt und anscheinend mitleidet, wenn es beim Prozeß um konkrete Mordtaten ging. Er ist der jüngste der Mitangeklagten und fühlte sich nach seinen Angaben als Heranwachsender, ab Mitte der 90er Jahre, stark von der Neonazi-Szene angezogen. Mit 13 bemerkte er seine homosexuellen Neigungen und machte die Erfahrung, dass wenn man zur “Szene” gehörte, andere Respekt vor einem hätten. Dem Grundtenor seiner Schilderungen nach war er ein Mitläufer, ein „Kleener“, wie man ihn genannt habe. ABER vergleicht man seine Aussagen heute mit dem, wie er damals – auch vom Äußeren her – wohl durchgehend aufgetreten ist, bekommt man als Beobachter stark den Eindruck, dass Schultze seine Rolle klein redet. Sozialisiert u.a. mit dem Neonazi-Musikprojekt „Zillertaler Türkenjäger“, erzählt der nun vermeintlich Geläuterte von früheren Feindbildern, von einer umgeschmissenen Dönerbude, vom Gemeinschaftsgefühl bei Demos, bei denen die Busfahrten zu Zielorten so lustig gewesen seien.

Kann man Schultzes Aussagen hundertprozentig trauen, oder sind sie aus Selbstschutz unehrlich. Zum Beispiel das Thema “wo und wann?” bei der Ceska-Übergabe: Schultze hat erstaunlich gute Erinnerung daran, wie Wohlleben mit  behandschuhter Hand die Waffe bei sich zu Hause geprüfte hätte, nachdem er sie in dessen Auftrag besorgt hatte. An den Übergabeort in einem Chemnitzer Café a la Galeria Kaufhof denkt er ähnlich gut zurück: speziell an den Ablauf einer Szene, wie er zusammen mit Böhnhardt und Mundlos gesessen haben soll, als Zschäpe dazugekommen sei, um eine Anwaltsvollmacht zu unterschreiben. Allerdings gab es die Chemnitzer Galeria Kaufhof erst ab 2001, und das wohl einzige andere Kaufhaus in Bahnhofsnähe was seinerzeit zu seinen Schilderungen wo die „Uwes“ Schultze in Empfang genommen hätten passen könnte, besaß nur ein Stehcafé. Sitzen wie es der Wahldüsseldorfer schilderte scheint auch dort undenkbar. Der erste Mord der Ceska-Serie an Enver Simsek geschah jedenfalls im Jahr 2000. Was dann hieße, dass die genannte Waffe bereits im Umlauf war, bevor sie Böhnhardt und Mundlos erreichte. Im Übrigen hat Schultze die dem Vernehmen nach im Brandschutt in Zwickau gefundene Ceska bis zur Stunde noch nicht einmal ansatzweise eindeutig identifiziert.

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Olaf Klemke und Nicole Schneiders sind beide Verteidiger von Ralf Wohlleben – Foto-Copyright: das ZOB

Ralf Wohlleben ist neben Zschäpe der einzige der Angeklagten, der in Untersuchungshaft sitzt. Ihm wird Beihilfe zum Mord vorgeworfen. Über ihn hat man im Prozess im Prinzip nichts Neues bzw. Relevantes erfahren, was die Behörden nicht schon vor Mai 2013 wussten. Bereits seit den ersten Wochen nach Auffliegen des sogenannten NSU-Trios verfügt die Polizei über ein MacBook, das bei der Durchsuchung in Wohllebens Wohnung vorgefunden wurde. Nach der Grob-Auswertung stellte man unter anderem fest, dass von diesem Gerät, mit dem Absender „terrorzellew@aol.com“, Massenmails verschickt worden waren. Auch dieser Punkt hat im Prozess trotz des lautmalerischen Mailkontonamens noch überhaupt keine Rolle gespielt. Indes war Wohlleben – der 39-Jährige zählt zu den führenden Neonazis im Freistaat Thüringen – stellvertretender Landesvorsitzender und Pressesprecher der NPD Thüringen sowie Vorsitzender des NPD-Kreisverbands Jena und hatte bereits mehrmals Bekanntschaft mit dem Rechtsstaat gemacht. Im Jahr 2000 wurde er zusammen mit dem weiteren namhaften Neonazi Andre Kapke (s.u.) verurteilt wegen Körperverletzung und Nötigung. 2007 wurde Wohlleben zudem wegen übler Nachrede gegen einen NPD-Aussteiger verurteilt. Auch ist er einer der führenden Köpfe beim Thüringischen Heimatschutz (THS), angeführt von dem ehemaligen V-Mann und Neo-Nazi, Tino Brandt. Der THS gilt als Brutstätte des NSU. Wohlleben war einer der schlimmsten und lautstärksten Agitatoren der rechten Szene, Organisator und Veranstalter zahlreicher Kundgebungen und Demonstrationen, darunter zum Beispiel dem „Fest der Völker“ 2005, einer der dubiosesten Rechtsrockveranstaltungen hierzulande. Wohlleben hatte offenkundig die besten Kontakte zu den „Dreien“ vor ihrem „Abtauchen“, er hat wohl – dafür spricht nicht nur die Aussage von Schultze – die Mordwaffe Ceska mitorganisiert, und es wäre sehr unplausibel, wenn der Kontakt mit Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe danach einfach so abgebrochen wäre.

Besonders spannend sind seine zwei Haupt- und ein Ersatzverteidiger. Fangen wir mit Letzterem an: Wolfram Nahrath. Ginge es nach Wohlleben, so hätte auch er gerne drei offizielle Hauptverteidiger, wie Zaschäpe. Nun muss Nahrath, NPD-Mitglied und bekennender Rechtsradikaler, den Ersatzmann spielen, wenn Nicole Schneiders und Olaf Klemke mal nicht antreten können. Nahrath, der als Vorsitzender der mittlerweile verbotenen Wiking-Jugend in die Fußstapfen seines Vaters trat, ist ein bevorzugter und bei Gegnern dieses Gedankenguts als gemeingefährlich eingestufter Redner bei NPD-Demos.

Ganz so plump tritt Nicole Schneiders nicht (mehr) auf. Ihrem Mandanten ist sie nicht nur durch ihre frühere Tätigkeit in Jena als Wohllebens Stellvertreterin als NDP-Kreisvorsitzender vertraut. Durch sie gibt es zwischen Wohlleben und einer der ältesten Rechtsrockbands „Noie Werte“ eine direkte Verbindung. Nicht nur über den ehemaligen Kanzlei-Kollegen von Schneiders, Steffen Hammer, sondern auch über den Gittaristen Andreas Graupner, der um 2002 bei der „Band“ eingestiegen und bis zu deren Auflösung 2010 dabei war, besonders spannend. Dennn: mit “Musik” dieser “Band” wurden Vorgängerversionen des so genannten Bekennervideos des NSU unterlegt. Der Blood&Honour-Mann Graupner diente wohl als Kontaktmann zwischen dem „Trio“ und Wohlleben.

Der dritte im Bunde der Wohlleben- Verteidiger, Olaf Klemke, erscheint mit seinen Befragungen teilweise richtig ekelerregend. Als Gamze Kubasik, die Tochter des in Dortmund ermordeten Mehmet Kubasik als Zeugin kam, sprach er sie zu Hänselungen ihres kleinen Bruders auf der Straße an. Es ging um die Zeit direkt nachdem Ermittler und Presse ihre Familie mit unhaltbaren Verdächtigungen in den Schmutz gezogen hatten. Klemke wollte wissen, welcher Nationalität diese Hänseler denn gehabt hätten. So schwer es uns auch fällt einzuräumen: Klemke wirkt an anderen Stellen des Prozesses durchaus kompetent, aber hält sich die letzten Monate – nicht so auffallend, wie Zschäpes Verteidigung, aber eben doch – auch mit ernsten Sachfragen die sich zum Wohl seines grausigen Mandanten aufdrängen sehr zurück.

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Der Anblick kann nicht zur Mittagspause auf den Magen schlagen: Andre Eminger ist einer von den drei Hauptangeklagten, die nicht im Gefängnis sitzen. Nur Zschäpe und Wohlleben verbringen die Zeit außerhalb der Verhandlungen hinter Gittern. Fotocopyright: das ZOB

Andre Eminger: seine zwei Anwälte wirken teilweise auch obskur, und das nicht primär deshalb, weil sie im gesamten Prozeß bisher gefühlt keine fünf Mal etwas von sich gegeben haben. Darunter aber ein Antrag: der Richter möge ihren Mandanten doch teilweise von der Anwesenheitspflicht in der Hauptverhandlung befreien, weil ihn vieles ja nicht beträfe. Eminger ist wie Carsten Schultze und Holger Gerlach Freigänger und umgibt sich bei schönem Wetter in Verhandlungspausen vor dem Gericht, nicht selten mit nicht minder zwielichtigen, ultrarechts anmutenden Typen wie er selber – wenn er kein “Schauspieler” sein soll – einer ist. Dieser Antrag wurde erwartungsgemäß abgelehnt. Der 34-jährige gelernte Maurer ist nicht nur deswegen interessant, weil er mit seiner Frau Susanne (die ihrer Freundin Zschäpe gern ihre Identität lieh) nachweislich bis zum Schluss engste Kontakte mit den drei „Untergetauchten“ unterhielt. Sondern auch aufgrund einer möglichen Verfassungsschutz-Operation „Grubenlampe“.

Es geht um den Zeitraum 5. bis 8. Dezember 2006. Damals wohnten Böhnhardt, Mundlos und Zschäpe in der Zwickauer Polenzstraße. Am 7. Dezember kam es im Haus zu einem Wasserschaden. Laut Anklageschrift hätten vier Zeugen Zschäpe mit Eminger bei Aufräumarbeiten gesehen. Und im Zuge der Ermittlungen zum Wasserschaden soll Zschäpe als Susanne Eminger in Begleitung des „realen“ Emingers vor der Polizei vorgesprochen haben – dass sie damals weiterhin unentdeckt blieb, ist seltsam. Denn in den Protokollen der Aktion “Grubenlampe” der Beobachter, die Eminger auch in jenen Tagen feste im Blick gehabt haben sollten, steht einiges von Wegen zur Arbeitsstelle und derlei mehr – von einem Besuch in der Polenzstraße findet sich kein Wort. In Anbetracht geschredderter Akten und einigem mehr was allein seit November 2011 bekannt wurde – wohl ohnedies nur die Spitze des Eisbergs – schließen wir es, um es höflich zu sagen, nicht aus, dass Beamte damals mitbekommen haben, wo das “Trio” Ende 2006 abgeblieben war.

Auch als nach dem angeblichen Selbstmord der „beiden Uwes“ die gemeinsame Wohnung in der Frühlingsstraße ausbrannte, war Eminger als Schaulustiger recht schnell vor Ort. Für uns steht er ohnedies in Verdacht, vielleicht sogar mehr als Zschäpe selbst, den Feuerteufel gespielt zu haben.

Holger Gerlach: Der Mann, der am Anfang des Prozesses sein Gesicht hinter einem Heft verbarg, hat scheinbar kein Problem mehr, erkannt zu werden. Er ist nominell ein weiterer Kronzeuge neben Schultze in diesem Prozess. Allerdings verweigerte er eine richtige Befragung, verlas bis zur Stunde nur eine ziemlich halbherzig wirkende Erklärung , wo er den Tatvorwurf einräumte, den Dreien unfreiwillig (Wohlleben habe sie ihm quasi zugesteckt neben anderen Mitbringseln) mal eine Waffe (def. nicht die Ceska) geliefert zu haben, und willfährig gewesen zu sein, bzgl. der Weiterreichung/Erstellung von Passdokumenten, die auf seinen Namen liefen.

Böhnhardt profitierte wohl bis zuletzt von einer Ähnlichkeit mit Gerlach – die Papiere wurden wohl oftmals für die Anmietungen der Wohnmobile verwendet. Wobei wir uns durchaus vorstellen können, dass der früh nach Niedersachsen emigrierte Jenaer hier und da unmittelbarer mitgeholfen hat – vielleicht sogar seine Familie. Aber das ist eine andere Geschichte. Gerlach hat sich jedenfalls wie Schultze nachdrücklich bei den Angehörigen der Opfer entschuldigt.

Und schließlich noch Zschäpe: Als Schultze – so seine Aussage während der Verhandlung – mit der Ceska im Rucksack, mit beiden Uwes in einem Café saß und die beiden Männer ihm von einer „Taschenlampe“* erzählten, die sie angeblich in Nürnberg aufgestellt hatten, sei Beate dazugestoßen und die Uwes hätten in seine Richtung „Psst“ gesagt. Für Zschäpes Verteidung ein klarer Fall, dass sie nichts von solchen Aktivitäten mitbekommen sollte – also eher ein Indiz, dass die Hauptangeklagte gar nicht so tief im Mordsumpf steckte. Es ist aber für uns naheliegender, dass sie Geschwätzigkeit ihrer „Jungs“ gegenüber Schultze nicht gut geheißen hätte und die “Uwes” daher das Gespräch abrupt beendeten. Immerhin scheint Zschäpe seit ihrerJugendzeit, ab 1998 trat sie nachweislich als aktives THS-Mitglied und Neofaschistin auf, laut Aussage zahlreicher Zeugen, eine Meisterin der Anpassung und Verstellung gewesen zu sein.

Die Anklageschrift gegen sie ist sehr lang und, nebenbei bemerkt, bis heute nicht öffentlich zugänglich! Neben Gründung und Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung werden ihr unter anderem Mittäterschaft bei den zehn NSU-Morden, mehrfacher versuchter Mord (Stichwort u.a. Sprengstoffanschläge in der Probsteigasse und in der Keupstrasse in Köln) sowie besonders schwere Brandstiftung mit ebenfalls versuchtem Mord an einer Nachbarin und zwei Handwerkern vorgeworfen. Außerdem soll sie auch für die 15 bewaffneten Raubüberfälle mitverantwortlich sein. Lebenslange Haft plus anschließender Sicherheitsverwahrung wäre das Urteil, wenn alles bewiesen werden sollte, was alles andere als wahrscheinlich scheint. Während Zschäpe eisern schweigt, bewegt sich auch die Beweisführung auf oft dünnem Eis.

Fast schon in Vergessenheit geraten sind seit Prozessbeginn die Anrufversuche bei Zschäpe am 4. November 2011 von einem auf das Innenministerium Sachsen zugelassenen Handy – recht zeitnah zu der Situation, wo Mundlos im Wohnmobil Böhnhardt ermordet und sich nach der Feuerlegung im Auto selbst gerichtet haben soll. Wenig später explodierte in der Frühlingsstrasse die vom Trio angemietete Wohnung und Zschäpe beginnt ihre Reise, bis sie sich letztlich am 8. November 2011 den Behörden stellt. Seit Beginn des Prozesses gibt es viel Gossip über sie, nicht nur in der Bild-Zeitung. Schließlich schafften es ihr Herz für herumstreunende Katzen oder feuchtfröhliche Runden mit offenkundig latent rassistisch eingestellten Nachbarinnen in das an vielen Stellen übel desinformierende SZ-Theaterfilmchen, das zum Jahreswechsel von jenen gehypt wurde, die nicht mal in zehn Jahren ahnen werden, was in München wirklich verhandelt wird bzw. ausgebremst wird.

Zschäpe mutmaßlich an zwei Mord-Tatorten “live” dabei

Zurück nach Zwickau: Als die Wohnung des mutmaßlichen Trios in die Luft flog, wohnte eine alte Frau nebenan. Als das Haus abgerissen wurde, kam die mittlerweile über 90-jährige Demenzkranke, nach zwischenzeitlichem Umzug, in ein Heim. Tragisch, aber im Vergleich zu zehn Ermordeten ist ein nötig gewordenener Umzug wohl bestenfalls eine Fußnote Erwähnung wert. Denn wer sich die Fakten aus der Frühlingsstraße anschaut weiß, dass mittels der durch Benzin herbeigerufenen “Explosion” in der Wohnung der Dame keine Gefahr drohte, zumindest wenn – wie es natürlich auch hier geschah – halbwegs zeitnah eine Feuerwehr ans Set kam. Nun ist ein Jahr Prozess vorüber und die Gewichtung der Bundesanwälte Diemer und Co. zeigt, wo er angelangt ist: Diese zerstörte Wohnung ist also alles, was sich Zschäpe halbwegs sicher anlasten lässt im Moment – Stichwort Benzinspuren an ihren Socken. Oder haben Sie, liebe Leser, in den letzten Wochen oder Monaten etwas anderes vernommen? Da war nämlich eigentlich noch einiges!

Zeugen, die aussagen, dass Zschäpe an mindestens zwei Mord-Tatorten war, sollten doch der Anklage höchst willkommen sein, könnte man meinen. Aber nicht doch. Diese wurden unglaubwürdig, gar lächerlich dargestellt. Wie im Falle der Zeugin, die im Juni 2005 vor dem Mord an Ismail Yasar im benachbarten Supermarkt in Nürnberg auf eine Frau aufmerksam geworden war, weil sie sie an eine TV-Serien-Schauspielerin erinnerte. Sie hatte sie später als deren Bild durch alle Nachrichten ging als Zschäpe identifiziert. Da die Zeugin sich während ihrer Aussage an andere Details, die sie vor Jahren noch angegeben hatte, nicht mehr so erinnern konnte, wie sie angeblich (!) authentisch von Beamten in polizeiliche Vernehmungsprotokolle geschrieben wurden, stempelte die Bundesanwaltschaft sie als unglaubwürdig ab. Diemer verdrehte es gar dahin, dass die Zeugin am Ende vielleicht glaubte, die Schauspielerin (nicht Zschäpe) hätte leibhaftig vor ihr gestanden.

Dank BKA-Vorabinfos schlachten ARD-”Kollegen” Zeugen vor ihrer Einvernahme

Obgleich wir immer recht akribisch die Arbeiten der Kollegen zum NSU-Komplex sichten ist uns folgendes leider tatsächlich erst in den letzten Tagen aufgefallen, sonst hätten wir hier vor Wochen auch keinen Text von ihm zu Temme empfohlen! Zur Nürnberger Zeugin tat ein gewisser Franz Feyder von den Stuttgarter Nachrichten nicht nur bar aller Tatsachen so, als ob die Zeugin irgendetwas anderes bekundet hätte, als dass ihr die Begenung im Supermarkt wegen einer Ähnlichkeit (nicht mehr nicht weniger!) der Mimin zu Zschäpe (*1975) (ein Klick genügt, um festzustellen, dass der Gedanke daran, eine Ähnlichkeit zu erkennen, keineswegs irrsinnig ist) erinnerlich blieb. Nein. “Kackdreist” stehen da bis heute Sätze im Netz, als ob die Zeugin gar von der dicklichen Serienhauptfigur (*1952) sprach. Wer live an dem Prozesstag dabei war kann – zumindest wenn man nicht während der Sitzung wie manch ein Kollege “Risiko” (sic!) auf dem Handy spielt – unmöglich überhört und (!) übersehen haben, dass keinesfalls von der viel älteren Roseanne-Figur die Rede war, sondern von Sara Gilbert (*1975), die in der Serie die Figur der Darlene Conner gab – zumal Fotos der Schauspielerin groß projiziiert wurden an diesem Tag.

Noch perverser war, wie eine vom BKA offenkundig an den “Terrorman” der ARD- durchgesteckte Vorvernehmung einer Frau aus Dortmund ablief. Bereits vor ihrer Vernehmung im OLG wurde jene Veronika A. als  unglaubwürdig abgestempelt. Sie will Zschäpe Anfang April 2006 – just in der Stadt, in der dann wenige Tage Mehmet Kubaşık ermordet wurde – auf einem Nachbargrundstück zusammen mit beiden „Uwes“ sowie einem Skinhead gesehen haben. Die Glaubwürdigkeit sprach man ihr ab, weil sie ihre Beobachtungen erst im vergangenen Sommer einem Nebenklägervertreter anvertraut hatte. Ihre Erklärungen in München dafür waren allerdings ziemlich plausibel: Zum einen hielt sie ihre Beobachtungen für die weitere Aufklärung der NSU-Verbrechen und ihre Hintergründe nicht für besonders wichtig – denn es war ja nun klar, wer das NSU-Kerntrio war. Irgendwann, als dann zur Prozessberichterstattung auch die Existenz einer Liste mit 129 Namen (aus der dann irgendwann 400er/500er liste – auch ein Thema das anscheinend niemanden juckt) aus dem direkten oder weiteren Umfeld des sog. Terrortrios aufkam sei sie davon ausgegangen, dass man seitens der ermittelnden Beamten ohnedies sicher diverse Kontakte der Drei nach Dortmund auf dem Radar hatte. Die Großstadt in Nordrhein-Westfalen gilt schließlich nicht nur generell als Hort ziemlich vieler Rechtsradikaler, sondern war ja eine der Tatortstädte! A. nahm generell an, dass das Ermittlerwissen weitaus größer als ihr eigenes war.

Andre Kapke

Theoretisch einer der spannendsten Zeugen, die bisher geladen waren: Andre Kapke – links im Bild, daneben sein Anwalt. Foto-Copyright: das ZOB

Aber warum ging sie dann im Juni 2013, statt zu einem Anwalt, nicht direkt zur örtlichen Polizei? Das wollte auch der Vorsitzende Richter Götzl wissen. Die Antwort enthielt unter anderem eine besonders pikante Schilderung, was in den Medien bezeichnenderweise kaum Niederschlag fand: A. wohnte im Dortmunder Stadtteil Brackel in unmittelbarer Nähe einer Kneipe, von wo bei Würfelrunden des öfteren lautstarke „Sieg heil“- Rufe auszumachen gewesen wären. Sie suchte deswegen Kontakt zu den Kneipenbetreibern. Doch diese machten ihr wohl die lange Nase: Frau A. könne ja mal abends vorbeikommen, wenn es wieder mit derartigen Sprüchen laut werde. Manche Polizeibeamte seien dann ja mittendrin statt nur dabei. Und zu solch einer Polizei soll man als Bürger Vertrauen haben? Als Götzl die Zeugin entlassen wollte, stellte Nebenklageanwalt Adnan Erdal den Antrag, sie zu vereidigen – nicht weil er ihr nicht glaubte, sondern um die Bedeutung dieser Aussagen zu unterstreichen. Was abgelehnt wurde weil laut Diemer dafür keine Voraussetzungen vorlagen, die Aussage der Zeugin „nicht von ausschlaggebender Bedeutung“ sei.

Indizien, dass Zschäpe also mindestens zweimal zeitnah an einem Mordort gewesen sein kann, sollten eigentlich ein Grund zur Freude der Ankläger sein. Aber mit jeder Prozesswoche mehr fühlt man sich als Unvoreingenommener in München sprichtwörtlich im falschen Film. Zur Erinnerung: Zschäpe hat drei Anwälte, von denen zwei fast immer anwesend sind. Seit Monaten zeigen diese kaum irgend eine Regung, auch nicht bei für ihre Mandantin besonders heiklen Zeugenbeschuldigungen. Dafür intervenieren Stahl, Heer und Sturm („Wir heißen wirklich so“ – Hut ab für Jan Böhmermanns  Chuzpe mit der Musicalidee) im Grunde nur mehr dann, wenn es für den Staat wegen seiner V- bzw. MAD-Männer eng werden könnte!

Was machte der „Führer“ in Eisenach?

Exemplarisch für den Ablauf im Gericht ist der Umgang mit dem Zeugen Andre Kapke, der, wie viele geladene Neunazis, Gedächtnislücken vorschützt. Er ist mehrfachst vorbestraftes NPD-Mitglied, neben Tino Brandt, Wohlleben und beiden Uwes die bekannteste und wichtigste Figur des THS und wohl nicht umsonst „Führer“ genannt. In München erschien er von einem Szene-Anwalt begleitet und fühlte sich sichtlich nicht unwohl bei der Verhandlung. Auf die Fremdenfeindlichkeit angesprochen, sagte er, dass er sich nicht erinnern könne, „dem Ausländer selbst die Schuld gegeben“ zu haben: „Der kann ja nichts dafür, dass er da ist, das hat die Politik ermöglicht. Sie fangen ja nicht an, wenn Sie was gegen Unkraut machen, und zupfen da ein, zwei Blätter. Sie müssen schon an der Wurzel anfangen.“ Dass dieser Mann, der engst mit dem sog. NSU-Trio verbunden war, am 4. November 2011 als Böhnhardt und Mundlos im Wohnmobil starben, laut Funkzellenüberwachung nicht weit entfernt war, angeblich weil er in der Nähe einen PKW gekauft hätte und auf dem Weg nach Hause gewesen sei, sorgte erstaunlicherweise für keine kritischen Nachfragen bei den Prozessbeteiligten. Auch nicht, ob er den Kauf und die Anmeldung nachweisen könne oder diese gar tatsächlich selber vorgenommen habe. Nichts dazu, wie es zu erklären wäre, dass sein Handy zweimal in Eisenach in das Netz eingeloggt war und sein faktischer Bewegungsradius somit auch nicht zu seinen Angaben passen könne?

Dafür bestand unnötig viel Interesse, zum Beispiel daran, dass er „verunglimpft“ wurde, für das „Trio“ bestimmte Gelder veruntreut zu haben, oder dass er irgendwelche banalen Sachen bei Böhnhardts Eltern für deren Sohn abgeholt haben könnte. Sehr wohl wird aber die für Kapkes Geburtstag von seiner damaligen Freundin und Wohlleben verfasste, einzig an Tumbheit starke Zeitung im gesamten Wortlaut vorgelesen. Auch wird stundenlang mit der Verfasserin diskutiert, ob sie es zum Beispiel mit der Mordankündigung an Kanzler Schröder ernst meinte. Oder es wird reichlich Zeit mit einem fraglos extrem ekelerregenden antisemitischen Spiel „Pogromly“ verschwendet, einem „Monopoly“ nachempfundenen Brettspiel, das wohl das „Trio“ erfunden haben soll. Viel Interesse wird dann zum Beispiel auch dafür verwendet, wie oft man denn beim Spielen gelacht habe. Und so gab es bisher mindestens 20 Prozesstage die man in einem halben hätte “verhandeln” können. Oder will man Zschäpe am Ende ein Jährchen mehr aufbrummen, weil sie beim kranken Monopoly-Clown auf die Gaswerke (im Original von Parker Bahnhöfe) scharf war und über “Judenwitze” lachte?

Und draußen fährt die Polizei…

Wenig Gedanken macht sich beim Prozess hingegen über die bei einigen Mordanschlägen ziemlich nah am Set befindliche Polizei und widersprüchliche bzw. fragwürdige “Aussagen” dazu.

Oder wie sollte man folgendes werten: Nürnberg, 9. September 2000 gegen 15 Uhr wollte Andreas H. (zufällig Rettungssanitäter) nahe an einer Ausfallstraße an dessen mobilen Blumenstand einen Strauß kaufen wunderte sich, dass dieser anscheinend über einen längeren Zeitraum unbesetzt war – denn es war ihm schon beim Eintreffen ein Pärchen entgegen kommen, dass auch schon keinen Verkäufer vorgefunden hatte. So kontaktete er die Polizei. Dass man den heute 40-jährigen seitens der Behörden gleich zu beruhigen suchte, indem ihm ein Beamter bei jenem Anruf mitteilte, dass Streifenkollegen den Blumenhändler noch vor rund einer halben stunde gesehen hätten, also (sicher) alles in Ordnung sei, kommt zumindest uns “spanisch” vor. Wie konnte eigentlich – abgesehen davon, dass das Gegenteil von “OK” der Fall war, der Mordanschlag war bereits geschehen, der bereits nahezu tote Mann aber vermeintlich noch unentdeckt – der Anrufempfänger in der Zentrale wissen, ob welche Streife welchen Blumenhändler wann gesehen haben kann? Warum wird das im Gericht auch von der Nebenklage nicht vernünftig nachgefragt? Warum sollte eine Polizei beim Vorbeifahren mehr oder minder gezielt auf die Anwesenheit eines Händlers der (bzw. dessen Angestellte) dort regelmäßig seinen Stand aufschlägt, “achten”? Nach weiterem Warten alarmierte H. nochmals die Polizei. Als die dann kam, fand sie Simsek in seinem Mercedes-Transporter niedergestreckt.

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In wenigen Tagen erscheint als Printzeitschrift eine größere Publikation von uns, die weit über die reine Prozessbeobachtung hinausgeht: wir zeigen u.a. bisher unveröffentlichte Zusammenhänge rund um die Mordfälle von Kassel und Heilbronn, inkl. dem offenkundig vertuschten Mord an Florian Heilig, er stand kurz vor einer geplanten Aussage beim LKA zu einer Art Schwesterorganisation des “NSU” u.v.m. – Sie können sich gegen Überweisung von 4,00 € (2 Euro für die Zeitschrift, 2 Euro Porto und Verpackung) mit Angabe Ihrer Postadresse im Verwendungszweck ein Exemplar sichern: Kt.Nr.: 5408979333 BLZ: 50010517 (ING DiBa) – IBAN DE78 5001 0517 5408 9793 33 – BIC INGDDEFF. Die Zustellung erfolgt ca. zum 19. Mai.

Was hat es mit einem bordeaux-farbenen BMW-Combi auf sich, einem zivilen Polizei-Einsatzfahrzeug, das beim Tattag Yasar im Juni 2005 – wiederum in Nürnberg – offenkundig auffällig wurde? Nebenklage-Anwalt Narin hatte das mal versucht in den Prozess einzuführen – letztlich wohl vergeblich. 

Noch merkwürdiger ist die Geschichte der Schwiegemutter des ersten Münchener Opfers: Folgender Komplex zu Habil Kılıç – sein Laden in der Bad-Schachener-Straße: lediglich vier Häuser von einer Verkehrspolizei-zeiinspektion entfernt! – wurde, wie übrigens auch der übernächste Aspekt aus Hamburg, “selbst” von der Initiative „nsu-watch“ ausgeklammert. Obwohl diese behauptet ernsthafte Protokolle der Verhandlungstage abzuliefern. Anspruch und Wirklichkeit klaffen bei den “Kollegen” vom ersten Prozesstag an jedoch gravierend auseinander. Wenn da nicht gar Methode dabei ist, so staatshörig sich das vorgebliche “Aufklären und Einmischen” Projekt gibt, das – wie das ihm sehr nahestehende “apabiz” mit den “Rechten” an der NSU-Paulchen-Panther-DVD – ungeklärte Summen wohl auch aus Töpfen der Partei “Die Linke” bezieht. Soviel zur Unabhängigkeit. Fakt ist, die Schwiegermutter des vierten Mordopfers berichtete vor dem OLG davon, dass ihr seinerzeit auf einer Polizeiwache – auf die sie erst mittels Anruf eines Bekannten beordert worden war – erst nach dreieinhalbstündiger Vernehmung vom Tod ihres Schwiegersohnes berichtet worden sei. In der Zeit davor habe man sie ausgefragt und wie eine Verdächtige behandelt. Und als ob das nicht schon fragwürdig genug gewesen wäre schwor die Zeugin vor Gericht nun sprichwörtlich Stein und Bein, dass sie bereits am frühen Vormittag kurz nach 9 Uhr des Tattags auf die Wache in der Bayerstraße einbestellt war. Unter anderem um Fragen à la „Wie haben sie sich mit Ihrem Schwiegersohn verstanden?” zu beantworten. Und das eben, obgleich der Mord – nach allem, was man weiß – erst gegen 10.30 Uhr begangen wurde…

Am greifbarsten scheint polizeiliches Mitwissen am Tatort Hamburg rund um den Laden von Süleyman Tasköprü. „Unmöglich, dass sie es nicht mitbekommen haben!“ Der Vater des Ermordeten wiederholte diesen Satz mehrfach in München vor Gericht – jeden Tag zur Tatzeit wären zahlreiche Polizisten in Hörweite zur Mittagspause gewesen. Eine Aussage die man sich nicht ungesehen zu eigen machen muss, aber in einem vorgeblich unabhängigen Protokoll nicht fehlen darf. Doch wenige Tage nach diesem Verhandlungstag auch hier bei NSU-Watch keine Silbe!

Kannte Streifenpolizist das Mordopfer und schweigt?

Bei der Einvernahme des Hamburgers vorm NSU-Prozess war auch uns noch nicht klar, dass vielleicht gar noch mehr Auffälliges am Tatort Tasköprü im Zusammenhang Polizei passiert war. Doch dann stießen wir auf ein Interview mit ihm aus dem Dezember 2012 – dort beschreibt er eine auf den ersten Blick nebensächlich anmutende Begebenheit: „Am Tag, als der Mord passierte, kam ein Streifenpolizist in den Laden. Er trank einen Kaffee mit Süleyman, dann sagte der Polizist noch, er solle doch den Wagen draußen wegfahren, der sei falsch geparkt.“ Der Vater nahm das Auto, weil er ohnehin einige Einkäufe zu erledigen hatte.

Als er nach 20-30 Minuten zurückkam, war der Sohn schon tot. Zum gleichen Vorfall schildert – wie wir aus uns vorliegenden Akten nachvollziehen konnten – der angeblich gleiche Verkehrspolizist in seiner Zeugenvernehmung kurz nach dem Mord Tasköprü, dass er auf dem Gehweg in Höhe des Gemüsegeschäftes „einige Notizen ins Merkbuch eintrug, (dann) bemerkte ich, dass hinter mir aus diesem Geschäft eine männliche Person herauskam und mir im Vorbeigehen mitteilte, dass er seinen PKW sofort korrekt zum Parken abstellen wird.“ Der südländisch aussehende Mann habe Akzent gesprochen, er (der Polizist) wisse nicht, ob der, das spätere Opfer gewesen sei. Der Mann habe dann sein Auto umgeparkt, damit sei diese Angelegenheit für den Beamten erledigt gewesen. So wie es der Vater – und da die Geschichte sogar im Spiegel stand gehen wir nicht davon aus, dass die einen Polizisten offenkundig etwas andichtenden gebracht hätten – schildert, kannte der Streifenpolizist dessen Sohn zumindest von Pausen in dem Geschäft der Tasköprüs.

Man wagt es sich kaum vorzustellen. Aber nach all dem, was man von den rassistischen Ermittlungen, über die jahrelang fortdauernden Gängeleien Hinterbliebener, all dem Irrsinn im Gesamtkomplex weiß: warum sollte ausgeschlossen sein – wo es auch wenn die Staatsraison etwas anderes fordert, offenkundig ist, dass das Trio oder gar “die Uwes” alleine an keinem Tatort wirklich allein zu Gange gewesen sein können – dass zumindest in dem einen oder anderen Fall auch Staatsbeamte mit verwickelt gewesen sein könnten. Wo ja erwiesen ist, dass Polizeibeamte bzw. Verfassungsschutzmitarbeiter zumindest bei zwei Fällen indirekt eine große Rolle spielten. Etwa Kiesewetters Gruppenführer (der Polizistenmord Heilbronn) Mitglied beim Ku-Klux-Klan war oder in Kassel (Mord an Yozgat) ein Verfassungsschützer unmittelbar zur Tatzeit vor Ort war, aber nichts gesehen, gehört oder gerochen haben will. Zu beiden Komplexen gibt es von uns die nächsten Tage eine separate Geschichte die weniger prozessverlaufverhaftet ist als diese hier – inklusive den Ungereimtheiten um die “Todesfälle” Florian Heilig (Heilbronn, Stichwort “NSS”) und V-Mann Thomas “Corelli” Richter!

Tote, die noch Feuer legen

Apropos “erwiesen”: Haben Sie die letzten Wochen irgendeine Mainstreamzeitung oder Nachrichtensendung entdeckt – die FAZ hatte es wohl immerhin verklausuliert – die erklärte, dass die Behauptung des Selbstmords der “beiden Uwes” endgültig nicht mehr aufrecht erhalten werden kann? Seit 1 1/2 Jahren ist es die Standartbehauptung! Seit BKA-Chef Ziercke im November 2011 in nicht-öffentlicher Sitzung des Bundestag-Innenausschusses, gemeinsam mit Verfassungs”schutz”leiter Heinz Fromm, die Parlamentarier über den aktuellen Ermittlungsstand informieren sollte. Auf die dringliche Nachfrage, wer denn nun – Böhnhardt oder Mundlos – Rußpartikel in den Lungen gehabt hätte, kam sein enttarnender Satz: „Ich weiß auch nicht, welche Relevanz das für Sie hat, dass Sie sich jetzt so echauffieren.“

Vorsitzender Bosbach (CDU) schließlich unterbrach das damals wohl von keinem danach öffentllich problematisierte Possenspiel und wandte sich an den ebenfalls zur „Unterrichtung“ erschienenen Generalbundesanwalt Range. Dieser antwortete: “Ich denke, das kann man sagen, nach dem Ergebnis der Obduktion ist es so, dass Herr Mundlos Herrn Böhnhardt erschossen hat und dann sich selbst gerichtet hat.“ Man beachte: Gefragt war explizit, welcher der beiden Vornamensvetter Rußpartikel in der Lunge hatte. Eine Politikerrunde, der neben Bosbach u.a. Wolfgang Wieland von den Grünen angehörte, ließ sich von zwei hochrangigen Staatsschutzvertretern mit halbseidenen Schilderungen abspeisen.

Vor Wochen – primär durch die Arbeit des Thüringer Untersuchungsausschusses – kam der Obduktionsbericht nun zumindest zitatweise an die Öffentlichkeit (zumindest theoretisch, die meisten Medien schweigen das Thema ja wie erwähnt tot): der führe eindeutig aus, dass bei keinem (!) der Toten Spuren von Ruß oder Raucheinatmung in den Lungen feststellbar waren, womit als erwiesen gelten kann, dass als das Feuer gelegt wurde im Wohnmobil sowohl Böhnhardt als auch Mundlos bereits das Zeitliche gesegnet hatten – denn Tote können bekanntlich schwerlich selber zündeln…

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*1999 gab es in einem türkischen Lokal in Nürnberg einen Sprengstoffanschlag, bei dem ein Mann vom Reinigungspersonal schwer verletzt wurde, als er nach einem Gegenstand griff, der wie eine Taschenlampe aussah. Folgt man Carsten Schultze, eine weitere Tat des “NSU”.

nsu: wie deutsche medien neonazi-verteidiger in die hände spielen

olaf klemke, einer der verteidiger von neonazi ralf wohleben (der seinerseits im verdacht steht zeitweise v-mann des verfassungsschutzes gewesen zu sein) vor dem OLG münchen, versuchte im prozess die zeugin vom dachfenster verächlich zu machen – viele deutsche medien tun es ihm wider besseren wissens gleich – foto copyright: das ZOB 

in dieser woche hatte auch andreas temme (der verfassungsschutzmitarbeiter, der beim mord in kassel zur tazeit am tatort war) seinen ersten auftritt im NSU-prozess. doch nachdem dessen einvernahme noch lange nicht abgeschlossen ist, widmen wir uns heute den aussagen der “zeugin vom dachfenster”, welche die hauptangeklagte zschäpe wenige tage vor einem mord in dortmund in eben jener stadt mit “ihren” beiden uwes sowie einem mutmaßlichen skinhead gesehen haben will. und wir widmen uns vor allem der medialen rezeption dieser unverständlicherweise sogar bereits im vorfeld diskreditierten zeugin.

wohl nur wer sich zufällig bereits aus der “jungen welt” (jw) informierte oder idealerweise vergangenen montag gleich persönlich vor ort als zuhörer im gerichtsverfahren war, konnte bisher erahnen bzw. wissen, dass frau a. absolut schlüssig nachzeichnete, warum sie sich (nachdem sie im november 2011 zu ihren wahrnehmungen vermeintlich drei von vier namen hatte) zunächst gar nicht und in diesem jahr dann erst an einen journalisten und letztlich an eine kanzlei der nebenklägervertreter wandte statt direkt an staatliche behörden.

zum einen fühlte sie sich – wie das expertenmeinungen zufolge bei zahllosen zeugen landauf landab an der tagesordnung ist, selbst wenn diese unmittelbar tatvorgänge schildern könnten (was hier ja eben nicht der fall ist!) – als für die weitere aufklärung der NSU-verbrechen und ihrer hintergründe nicht besonders wichtig. irgendwann, als dann davon die rede war, dass es neben den fünf in münchen aktuell angeklagten (mindestens) 129 namen aus dem direkten oder weiteren umfeld des sog. terrortrios gibt, die behörden beschäftig(t)en, durfte sie zum anderen wohl nicht mehr nur subjektiv davon ausgehen, dass sich darunter auch kontakte nach dortmund befinden. die großstadt in nordrhein-westfalen gilt schließlich nicht nur generell als hort ziemlich vieler rechtsradikaler sondern war ja eine der tatortstädte! frau a. formulierte es sinngemäß so, dass sie annahm, dass das ermittlerwissen weitaus größer als ihr eigenes sei.

“sieg heil” rufe beim würfeln – und die polizei sitzt mit dabei?

dass sie sich letztlich nach zunächst völlig-für-sich-behalten und einem ersten zögerlichen, schnell im sande verlaufenen kontakt zu einem lokalen journalisten (dem hatte sie wohl nicht explizit gemailt/gesagt zschäpe, mundlos und böhnhardt gesehen zu haben, sondern wollte für sich eher bestätigt wissen, dass die staatsanwaltschaft bereits von dortmunder unterstützern bescheid weiß und es ihrer aussage eben wirklich nicht bedarf) einer im prozess bereits für kasseler nebenkläger (mordfall yozgat) vertretenen rechtsanwaltskanzlei anvertraute, ist nach den schilderungen von frau a. absolut plausibel. denn durch die geschichten rund um zschäpes briefkontakte aus dem knast heraus richtung dortmund wurde bundesweit kolportiert, dass die hauptangeklagte ansonsten dorthin eben noch keinerlei kontakte hatte. zumindest sei darüber nichts bekannt oder gar belegbar. unseres erachtens nur allzu verständlich, dass das für jemanden, der wie a. eine zu recht kritische meinung gegen jedwede neonaziuntriebe hat, eine initialzündung gewesen sein muss.

aber warum dann auch im juni 2013 nicht direkt ab zur örtlichen polizei? das wollte auch der vorsitzende richter götzl wissen. eine berechtigte frage, deren antwort vielschichtig war, aber vor allem eine besonders markante schilderung enthielt, die perverserweise unseren recherchen nach außer in der generell leider zu parteipolitisch (die linke) aufgestellten und daher nicht wirklich unabhängigen “jw” tatsächlich in keiner gazette, in keinem programm der privaten oder öffentlich-rechtlichen rundfunkanstalten in ihrer gänze gewürdigt wurde. vielleicht haben sie aber zumindest die hälfte dieser gruseligen randnotiz bereits aufgeschnappt? frau a. wohnte nämlich nicht nur grundstück an grundstück mit einem mutmaßlichen skinhead, der vermeintlich mit “dem trio” kurz vor einem der morde der sog. NSU-serie verkehrte. sie lebte im dortmunder stadtteil brackel, am westkamp auch in unmittelbarer nähe einer kneipe namens farbkästchen. und dort sei es des öfteren so gewesen, dass bei würfelrunden lautstarke “sieg heil” rufe auszumachen gewesen wären.

was an sich – unterstellt diese schilderungen wie auch die folgenden sind authentisch – eben schon schaurig, aber nicht das größte problem gewesen ist. dieses steht, wir müssen es leider explizit wiederholen  – wie gar viele im gericht gefallenen bemerkungen rund um allzu auffällige nähebeschreibungen zu tatorten von zivilen polizeifahrzeugen über vor ort mittagessende polizisten bis hin zu noch unwissende tatortzeugen blockenden notruf-hotlines… – eben bezeichnenderweise fast nirgends: frau a. suchte wegen dieser unappetitlichen “rufe” kontakt zu den kneipenbetreibern. doch die drehten ihr implizit wohl die lange nase: frau a. könne ja mal abends vorbeikommen, wenn es wieder mit derartigen sprüchen laut werde. die polizei sei ja als gast oft privat vor ort! und zu solchen “ordnungshütern” soll eine bürgerin ggf. vertrauen haben, erst recht in dieser undurchsichtigen NSU-kiste?

ein wohnmobil aus zwickau gänzlich uninteressant?

natürlich (stichwort: irren ist menschlich, von der grundsätzlichen ehrlichkeit der zeugin indes sind wir 110% überzeugt) muss es trotzdem nicht so gewesen sein, dass frau a. die berühmten drei bombenbauer aus jena tatsächlich 2006, wenige tage vor der tat in dortmund ebendort gesehen hat. natürlich kann es sein, dass frau a. jahre später, als das trio ab november 2011 (wieder) durch die medien geisterte, deren gesichter mit einer alten erinnerung vermischte. aber warum schreibt/berichtet kaum ein medienkollege die letzten tage, dass sich neben drei dunkel gekleideten gestalten und einem vermeintlichen skin auch ein tagelang in der gegend befindliches wohnmobil mit z-kennzeichen in das gedächtnis von a. gebrannt hat (weil jenes gefährt einem von ihr erwarteten umzugsauto hätte im weg sein können und wohl auch weil es eben nicht an der tagesordnung ist, dass zwickauer urlaub in diesem dortmunder wohngebiet machen), dass es unabhängig vom möglichen auftauchen von zschäpe, mundlos und böhnhardt auf dem nachbargrundstück dort diverse ungereimtheiten in sachen bauarbeiten gegeben haben soll? von nächlichen (!) grabungen bis hin zum aufstellen einer schaukel, die aufgrund der nähe zu einem auffallend hohen (wohl ebenfalls in verantwortung von dem mutmaßlichen skin errichteten) zaun nicht zum schaukeln taugte. oder einem unwirklich umrandeten sandkasten, in dem – wie das BKA “ermittelt” haben soll – türkische kinder nicht spielen durften und der (auch?) deswegen wohl weitgehend ungenutzt blieb…

doch der eigentliche hammer, der die vergangenen tage in zahllosen deutschen medien ablief: die inzwischen 63-jährige zeugin wurde von ARD bis N24, von spiegel bis SZ fast überall ohne angabe konkreter gründe bzw. unter weglasung von indizien (die u.a. gegen die eine oder andere unterstellung sprechen) als mindestens irrelevant, gänzlich unglaubwürdig, wenn nicht gar berechnend abgestempelt.

und es wird stellenweise noch immer so getan, als ob (wie im vorfeld der zeugeneinvernahme kolportiert, perverserweise wohl einzig aufgrund einer aussage eines nun wirklich fragwürdigen “zeugen”, der vielleicht besser angeklagter sein sollte: auf worte des mutmaßlichen skins aka nutmaßlichen NSU-unterstützers) die zeugin a. zschäpe “wohl” verwechselt habe: nämlich mit der freundin/frau des “skins”. dabei wurde im prozess ein bild wohl eben jener frau in großaufnahme gezeigt, das mehr oder minder eindeutig widerlegte, dass zwischen beiden damen (zschäpe und ihr) nennenswerte ähnlichkeiten bestehen.

nicht nur “zeit” & “stern” schwafeln von verwechslungswahrscheinlichkeit

fast (!) müsste man neben der “jungen” auch noch springers “welt” von dieser kritik ausnehmen - wobei frau crollys text bereits in der überschrift die zeugin mit dem meinungen tendenziell extrem beeinflussenden attribut “seltsam” belegt und deren unseres erachtens beängstigende schilderung, dass in der benachbarten kneipe polizisten wohl sehr gut mit den erwähnten “sieg heil” rufen klar gekommen sind (oder vielleicht gar selber mitriefen?), unter den tisch fallen lässt. aber immerhin erwähnt ihr artikel in der “welt” – wie auch die FAZ – überhaupt die ausfälle im “farbkästchen”. jene “sieg heil” rufe, die für uns mindestens ein mosaiksteinchen sind, wenn man eine antwort sucht, warum sich jemand nicht staatlichen behörden anvertraut hat. den gedankenschluss über den kleinen umweg, weil zeugin a. ja journalistin sei, diese wohl gezielt in storys denke, sei frau a.s aussage wohl nur ein beleg, dass es in dortmund relativ viele rechte gibt, teilen wir im übrigen nicht. wundern uns vielmehr, dass jene zeitung zwar das thema wohnmobil an sich erwähnt (“ein auffällig langes und hohes”), aber das zentralste an der schilderung, nämlich das mutmaßliche kennzeichen aus zwickau, wiederum unerwähnt lässt.

während die “welt” auf die verwechslungsgefahrgeschichte nicht (mehr) eingeht, steht beispielsweise im “stern”: “Ob die Schilderungen der Frau zutreffend sind, ist einem Medienbericht zufolge umstritten. Nach Recherchen des SWR gab der von der Frau als Skinhead beschriebene Mann an, dass damals seine heutige Frau auf dem Grundstück gewesen sei. Diese sehe Zschäpe sehr ähnlich. Womöglich könnte dem Bericht zufolge eine Verwechslung vorgelegen haben.” auch bei der taz (“Doch die Glaubwürdigkeit der Frau ist zweifelhaft.”) gibt’s eine explizit auf SWR/BKA-”material” zurückgehende sichtweise des vermeintlichen skinheads. wobei das außenstehenden, die sich allein auf jenes blatt verlassen, sicher nicht annähernd klar geworden sein dürfte. denn ausgerechnet bei der “alternativen” tageszeitung wird der vermeintliche skin als solcher überhaupt nicht erwähnt, als es darum geht, dass das trio – wenn es denn vollständig oder ggf. auch nur zu 2/3 im nachbargarten der zeugin a. war – nicht allein war, sondern eben von einem mann ohne haare dafür mit camouflagehose* empfangen worden war: in der taz heißt das dann lapidar “eine weitere Person”.

auch die onlineausgabe der “zeit” legt sich bereits im artikelvorspann fest: “Doch es gibt Zweifel an ihrer Aussage.” was dann im text selbst mit “Allerdings glauben viele Prozessbeobachter an eine Verwechslung. Recherchen des SWR [link im original] zufolge gab der als Skinhead beschriebene Mann zu Protokoll, dass seine heutige Frau auf dem Grundstück gewesen sei. Diese sehe Zschäpe sehr ähnlich.” unseres erachtens nicht minder fahrlässig als in der taz “aufgelöst” wird. denn selbst holger schmidt, jener mediale stein des anstosses im vorfeld der einvernahme, war – als beide texte in die weiten des www gingen – aufgrund des erst nur den verfahrensbeteiligten und dann im prozess offen und groß gezeigten fotos der braut eines vermeintlichen skindheads zurückgerudert: “Offenbar geringe Ähnlichkeit mit #Zschäpe” hieß es bereits vor der aussage von frau a. im prozess @terrorismus bei twitter. in der “zeit” dagegen keine silbe von seltsamen grabungen/aufbauten in nachbars garten, nichts von einem wohnmobil und auch nichts von der erklärung der zeugin, warum sie sich am ende lieber an einen nebenklageanwalt denn an staatliche stellen gewandt hat.

auch mit dem zweiten sieht man nicht besser

während man bei vielen weiteren kollegen schon aufgrund tendenziöser überschriften oder vorbemerkungen a la ”Zweifel an Belastungszeugin im NSU-Prozess” oder wie beim tagesspiegel aufgrund vom ignorieren (“Seltsam erscheint, dass A. sich erst in diesem Sommer offenbarte.) von schlüssigen erklärungen die lust am lesen verlieren konnte, oder sich wie im falle des “schwarzwälder boten” gar extrem aufregen sollte**, machten headline und artikelvorspann beim ZDF hingegen hoffnung auf halbwegs neutrale oder gar objektive wiedergabe der zeugeneinvernahme. doch nach vier absätzen prangt dann auch schon beim zweiten die erste fragliche zwischenüberschrift. namentlich die worte ”Durchbruch oder Verwechslung?”, die dann zwar erst mal zwei absätze lang hinsichtlich des zweiten teils nicht weiter klar werden, aber unter einer weiteren, sprichwörtlich weitergehenden zwischenüberschrift (“Verwechslung nicht ausgeschlossen”) dann in einer wiederum aberwitzigen beschreibung gipfeln: “Zusätzliche Ermittlungen lassen es allerdings möglich erscheinen, dass eine Verwechslung vorliegt: Inzwischen haben die Ermittler den früheren Nachbarn der Zeugin vernommen. Er sagt aus, seine Frau sehe Beate Zschäpe ähnlich. Am Montag wurden den Beteiligten neue Akten ausgeteilt, darunter die Kopie eines Fotos der Nachbarsfrau. Die Aufnahme ist allerdings von ziemlich schlechter Qualität.” DENN: die schlechte fotoqualität war für die meisten verfahrensbeteiligten der sachstand VOR dem eigentlichen beginn dieses prozesstags.

dann wurde – auch weil die verteidiger der angeklagten u.a. dies bemängelt hatten – zu sitzungsbeginn mehrfach unterbrochen. in der folge wurden mehrfach weitere unterlagen verteilt bzw. am richtertisch zur einsicht für die anwälte und verteidiger ausgelegt. und ein paar stunden später wurde schließlich auch für zuschauer und journalisten ein von der bildqualität astreines foto projiziert, was eben für manch einen einen einzigen “haken” hatte: es stützt nicht annäherend die aussage des mutmaßlichen skins. dennoch entblödet sich das ZDF nicht, noch eine weitere “aussage” des vermeintlichen NSU-unterstützers thomas d. (der am 08. oktober übrigens kurz vor seiner desiree vor dem OLG erscheinen soll) in indirekter rede zum besten zu geben: “Auch gebe es in seinem Verwandten- und Bekanntenkreis Leute, auf die die Beschreibung von Böhnhardt und Mundlos passen könne.”

treibt offenkundige DDR-phobie zu mutmaßlich gezielten weglassungen?

auch der zu prozessbeginn über viele tage aufdringlichst mit einem buch zum mordfall peggy (wo er – anders als in sachen nsu – vielleicht wichtiges herausgearbeitet haben mag) hausierengehende, freie journalist christoph lemmer, der glaubt, die zeugin a. (anders als er es bei verfassungsschützer temme handhabt, der bei ihm konsequent “Andreas T.” gelistet wird) mit klarnamen nennen zu müssen***, gibt rätsel auf. er erwähnt nicht nur die “sieg heil” geschichte nicht: bei ihm findet sich nicht mal ein sterbenswörtchen davon, dass frau a. sich eben aufgrund der vermeintlich ominösen grabungen eines vermeintlich sich nicht gern in die karten schauen lassenden skins, schon vor dem vermeintlichen auftauchen des sog. terrortrios unwohl mit ihrer direkten umgebung fühlte.

dass er in den schilderungen der äußerungen ein klein wenig was durcheinanderbringt, mag zufall sein. dass er aber zum beispiel auch die geschichte mit dem wohnmobil an einer unlogischen stelle platziert und dann noch die aussage von a. hierzu mit einem “womöglich mit Zwickauer Kennzeichen” einschränkt, verwundert. ebenso das zufällig (?!) sinnentstellende oder zumindest verfälschende verkürzen und umplatzieren von zitaten oder auch das an falscher stelle gesetzte “erkennt”. wobei – letztlich verwunderte es uns bei diesem autoren doch nicht: der mann scheint (ausführlich dazu mal in einer separaten geschichte über die diversen akkreditierten kollegen und ihrem selbstverständniss) generell ein problem mit berufskollegen und anderen menschen zu haben, die sich gegen (neo)nazi-umtriebe/gegen rassismus aufstellen oder irgendwie im verdacht stehen, irgendetwas direkt oder indirekt mit der ehemaligen DDR zu verbinden. wohl auch deshalb reitet er fast noch dummdreister anmutend als die ausfälle von RA klemke (dem wohlleben-verteidiger), der die zeugin mit zuordnungen ins linksextreme spektrum vergeblich aus der fassung bringen wollte, auf einer (früheren) parteizugehörigkeit von frau a. in der DKP herum. freilich “vergisst” lemmer dabei zu erwähnen, dass das einerseits schnee von gestern war und andererseits frau a. dort seinerzeit – stichwort perestroika – wohl weil zu reformorientiert gar ausgeschlossen worden war.

aberwitzig wird der journalistenkollege aber erst gegen ende seines wie so oft oberflächlichen, von falschen wahrnehmungen, schiefen schlüssen gezeichneten textes: da tut er so, als ob frau a. 2006 das DKP wenn nicht an ihrer hauswand so doch zumindest an ihre stirn “tätowiert” war – wörtlich fabuliert er: “Es war eine Zeugin, die ohnehin schwierig war – denn es wäre eine außergewöhnliche Begebenheit, wenn die NSU-Terroristen eine ihrer Taten ausgerechnet in Sichtweite und Nachbarschaft einer einst hohen DKP-Funktionärin ausgeheckt hätten.” meint er ernstlich, dass menschen, die im verdacht stehen, an helllichten tagen in tendenziell belebten geschäften wie dem internetcafe in kassel oder an tatorten wie der trappentreustrasse in münchen (wo das auserkorene schlüsseldienstgeschäft unter anderem eine hochfrequentierte busstation vor der tür hatte) kaltblütig zu morden, sich darum scherten, rund um das eigentlich gut abgeschirmte grundstück in dortmund vorher die lebensläufe aller anwohner zu studieren?

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* ein begriff, den sich übrigens der kollege des “neuen deutschland” von der vermeintlichen gerichtsreporterlegende gisela friedrichsen recht lautstark während der verhandlung erklären lassen musste. das “ND” war es denn auch, das zu den bekannten aussagen von frau a. und ihrem mann u.a. folgendes hinzutextet: “Der pensionierte Historiker bestätigt zwar, dass seine Frau im November 2011 von ihrem Verdacht gesprochen hat, er selbst kann sich an das in Frage stehende Geschehen auf dem Nachbargrundstück nicht erinnern.” – wie könnte er auch: er war zur fraglichen zeit wohl weder im haus, geschweige denn am fenster. er hat nach allem, was ausgesagt wurde, “nur” zu einem früheren zeitpunkt selber “nur” ihm dubios erscheinende grabungen gesehen und gehört. im “ND” steht ferner auch noch dies: “Die Zeugin glaubt, dass auf dem Nummernschild die Buchstaben C und A sowie ein Z zu lesen waren. C wie Chemnitz? Z für Zwickau? In beiden Orten haben Zschäpe, Mundlos und Böhnhardt jahrelang unbehelligt gelebt. A deutet auf Augsburg hin.” – und das obwohl frau a. letztlich auf nachfrage götzls, nachdem das zunächst wirklich fast nicht klar wurde, erklärt hat, dass sie als ortskennzeichen ausschließlich das “z” in erinnerung habe. das c&a sei auf dem gleichen nummernschild gestanden, also nicht für einen (weiteren/alternativen) ort, sondern als teil des individuellen kennzeichens…

** wo genüsslich die schiefe formulierung nur-in-meinem-kopf-hat-das-stattge… prangt, die offenkundig einzig eine betonung sein sollte, dass zeugin a. ja 2006 keine handfesten belege für tatsächliche verbrechen hatte, im sinne von bauchgefühl

*** für alle, die sich vielleicht fragen, warum wir zeugin a. abkürzen, temme ausschreiben und dies damit genau umgekehrt handhaben, als etwa der in blogwelten als bitterlemmer operierende kollege: weil temme (selbst richter götzl sieht das offenkundig zumindest ansatzweise ähnlich) nicht nur sogar staatlichen stellen offiziell tatverdächtig galt, sondern – wie die fünf in münchen angeklagten – noch immer im verdacht steht, zumindest (!) unmittelbar nach der tat das mordopfer gesehen und trotzdem geschwiegen zu haben; weil rund um den verfassungsschutz in der NSU-thematik unseres erachtens nicht das geringste verschleiert werden darf; und weil frau a. eben zunächst einmal nur eine zeugin (!) ist. noch dazu eine, die aufgrund ihrer generellen haltung wohl u.a. um ihre privatsphäre, wenn nicht gar repressalien von neonazis fürchten muss.